Bruder Lothar: Ja, richtig. Zu normalen Zeiten führen wir rund 50 Beratungsgespräche am Tag, meist über Liebe, Freundschaft, Sexualität – also Themen junger Menschen. Nun sind es fast 200 Beratungen täglich, Top-Thema ist Ebola. Neben der Hotline 116 mussten wir eine zweite einrichten, die Hotline 117. 24 Stunden sind mindestens drei Pädagogen an den Telefonen – auch nachts stehen die Leitungen nicht mehr still. Mit der Telefonberatung, die wir vor Jahren gemeinsam mit dem
Kindermissionswerk „Die Sternsinger“
aufgebaut haben, können wir auf ein sehr gut funktionierendes Hilfsangebot zurückgreifen.
Frage: Nicht nur am Telefon helfen und betreuen Sie Kinder und Jugendliche. Im Moment kümmern Sie sich auch um Jungen und Mädchen, die von Ebola betroffen sind. Wie sieht die Hilfe konkret aus?
Bruder Lothar: Die Regierung von Sierra Leone hat uns gebeten, Kinder und Jugendliche aufzunehmen, die ihre Eltern durch Ebola verloren haben. Zudem nehmen wir junge Menschen auf, die infiziert waren und geheilt wurden, nun aber nicht mehr von ihren Familien aufgenommen werden. Oftmals haben die Familien Angst oder Furcht, außerdem gibt es einen tief sitzenden Hexenkult. Viele Menschen glauben, dass ehemals Erkrankte verflucht sind und vom Teufel besessen, oder dass sie von Gott bestraft werden und Unglück in die Familien bringen. Wir haben ein einjähriges sozialtherapeutisches Programm mit dem Ziel begonnen, von Ebola betroffene Kinder in ihre Familien zurückzuführen, oder – wenn das nicht geht – sie in eine Großfamilie oder Pflegefamilie zu integrieren. Unter finanziellen Gesichtspunkten ist das eine Herkulesaufgabe, für die wir jetzt 170.000 Euro aufbringen müssen.
Frage: Woher nehmen Sie die Kraft für Ihre täglichen Aufgaben?
Bruder Lothar: Ich bin schon sechs Jahre in Sierra Leone und habe hier natürlich Wurzeln geschlagen. Freunde, Bekannte und meine Mitbrüder sind vor Ort, da ist es für mich ganz klar, dass ich da sein muss, wenn die Not am größten ist. Das ist ja auch Don Bosco: da sein, wo junge Menschen in Not sind. Das gibt mir Kraft. Natürlich denke ich auch aus meinem Glauben. Das ist jetzt kein Rumgefrömmel, aber der Kreuzweg Jesu wird jeden Tag neu gegangen und da will ich mich natürlich auch gerne positionieren. Welche Rolle nehme ich ein? Bin ich derjenige, der ein Schweißtuch reicht, oder derjenige, der Christus hilft, das Kreuz zu tragen? Auf die aktuelle Situation bezogen heißt das: Wo bin ich heute, wenn Kinder leiden? Was tue ich? Es sind kleine Millisekunden, die ich immer wieder erlebe, Gotteserfahrungen, die ich gerne festhalten will. Diese Millisekunden geben mir auch die Kraft, gut zu arbeiten. Aber ich bin auch ein Mensch und ich bin auf Unterstützung angewiesen, auf aufmunternde Worte, Wertschätzung und die erlebe ich natürlich auch durch Partner wie das
Kindermissionswerk
und das gibt natürlich noch einmal viel Kraft und Mut.