Vor dem Massaker erfolgten interne Absprachen zwischen Lonmin und der Polizei
Damals, am Vortag des Massakers, hatte Ramaphosa eine E-Mail von einem anderen Lonmin-Vorstand erhalten mit der Bitte, „seinen Einfluss zu nutzen, um den Streik zu beenden“. Den Anrufprotokollen zufolge kontaktierte er am selben Tag Polizeiminister Nathi Mthethwa. „Die Polizei beschloss, den Streik am nächsten Tag zu beenden. Es gibt Beweise, dass diese Entscheidung auf politischen Druck hin getroffen wurde“, meint Newham, der die Abteilung „Regierungsführung, Kriminalität und Justiz“ des ISS leitet.
Dreimal habe der lokale Polizeikommandant gewarnt, ein Zugriff würde in einem Blutbad enden. „Doch er wurde schlichtweg ignoriert“, so der Politologe. Stattdessen habe man in großen Mengen scharfe Munition und mehrere Leichenwagen zum Bergwerk gebracht. „Bis heute hat die Polizei keine Erklärung abgegeben, warum das geschah oder wer diese Dinge bestellte.“
Ein traditioneller Heiler sollte die Streikenden unverwundbar machen
Ein Entlastungszeuge der Polizei schilderte der Kommission zuletzt via Videoschaltung grausame Details des Streiks. Der „Mr. X“ genannte Mann, dessen richtiger Name geheim bleiben soll, will zu jenen Demonstranten gehört haben, die in den Tagen vor dem Massaker vier Sicherheitskräfte zu Tode hackten. Seit dem Massaker befindet er sich in Polizeigewahrsam. Ein traditioneller Heiler, ein Sangoma, habe Fleischbrocken aus einer der Leichen herausschnitten und den Bergleuten verabreicht, berichtet „Mr. X“. Ziel sei es gewesen, die Arbeiter beim Sturm auf die Polizei unverwundbar zu machen. Nach der Anhörung erwartet „Mr. X“ eine Mordanklage. Als Motiv für seine Aussage vermuten Beobachter eine mögliche Strafmilderung.
Weder Polizeiminister Mthethwa noch Polizeipräsidentin Riah Phiyega lieferten der Kommission neue Beweise. Bis heute weisen die Sicherheitskräfte jede Verantwortung an dem Massaker zurück. Carolin Gomulia vom Institut für Gerechtigkeit und Versöhnung (IJR) sieht tiefer liegende Ursachen für die Eskalation. Unter anderem seien die Wohn- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter systematisch vernachlässigt worden. Die Weltbank stuft Südafrika als das Land mit der ungerechtesten Einkommensverteilung weltweit ein. „Arbeiter und Bergleute gibt es reichlich“, erläutert Gomulia. „Entsprechend niedrig sind ihre Löhne. Oft versorgt ein Einzelner die ganze Familie.“
Von Markus Schönherr