Odyssee von Eritrea nach Deutschland
Die längste Odyssee hat Massawa hinter sich. Er stammt aus Eritrea. Am 6. Juni 2008 sei er aufgebrochen, erzählt der junge Mann. Ebenfalls alles zu Fuß: zunächst nach Äthiopien, von dort aus nach Sudan. Dann via Sahara nach Libyen, wo er sich zwei Monate lang aufgehalten hat. Am 26. Januar 2014 schließlich gelang es ihm, über das Mittelmehr nach Italien zu kommen und sich von dort aus nach Deutschland durchzuschlagen. Was ihn zur Flucht bewogen hat? „Political reasons“, mehr möchte er nicht sagen. Seine Eltern leben noch in Eritrea und sorgen sich um ihren Sohn, ebenso wie er sich um sie. Nach Hause zurückkehren zu müssen, so befürchtet er, bedeute für ihn mit Sicherheit Gefängnis und Tod. Warum? Menschenrechte gebe es in Eritrea nicht, sagt er nur – in dem Land, das man auch schon als das „Nordkorea Afrikas“ bezeichnet hat und aus dem neben Syrien die meisten Menschen über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen versuchen. Vom Teenager bis ins hohe Alter müssen die Menschen – Frauen wie Männer – damit rechnen, zum Militärdienst gezwungen zu werden, was besonders für die jungen Rekruten auch die Form von Zwangsarbeit annimmt.
Jetzt sei er glücklich, hier zu sein, sagt Massawa – in Freiheit, in einem Land, in dem darauf Verlass ist, dass Menschenrechte Geltung haben. Obwohl es schwierig für ihn sei, auf Hilfe angewiesen zu sein und mit der fremden Sprache zurechtzukommen.
Dieses Gefühl teilen alle – trotz vieler Ungewissheiten, wie es mit ihnen weitergeht: im Frieden leben. Das größte Erlebnis, sagt Amadi, sei für ihn gewesen, wieder jede Nacht ruhig schlafen zu können. Während des Trips durch die Sahara sei es lebensgefährlich gewesen zu schlafen. Schon der Besitz einer Flasche Wasser hätte dazu führen können, ermordet zu werden. „Survival of the fittest“ sei diese Wüstenzeit gewesen.
Es sei ein großes Erlebnis für sie, dass der Bischof sie willkommen geheißen habe. Und dass sie jetzt bei der wunderschönen Basilika lebten. Und dass sie sich von den Menschen in Weingarten gut aufgenommen fühlten. „Wir sind hier zu Hause; das ist jetzt unsere Heimat.“ Und vor allem: „Wir fühlen uns wieder als Menschen.“
* Alle Namen geändert.
Von Thomas Broch, Diözese Rottenburg-Stuttgart
Aus:
Der Geteilte Mantel. Ausgabe 2014.
Mit freundlichem Dank für die Abdruckgenehmigung.