Frage: Klingt nicht gerade optimistisch.
Bulling: Immerhin bekommen die Menschen hier medizinische Versorgung und Nahrungsmittel. Viel schlimmer ist die Lage außerhalb des UN-Geländes. Viele Menschen sind aus Angst vor den Kämpfen in den Busch geflüchtet. Zu ihnen haben wir gar keinen Zugang. Auch unsere mobile Klinik kann oft nicht aus dem Lager hinausfahren, weil es zu gefährlich ist. Für Lebensmittelverteilungen ist eine ganze Hilfsmaschinerie notwendig, doch dafür fehlen die Gelder.
Frage: Was ist mit den Geldern der Geberländer?
Bulling: Im Mai veranschlagten die Geberländer in Oslo nötige Hilfsgelder in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro. Davon ist gerade einmal die Hälfte hier eingetroffen. Es ist angesichts der aktuellen Nachrichtenlage auf der Welt auch nicht einfach, die Aufmerksamkeit auf den Südsudan zu lenken. Andere Konflikte wie in Gaza und der Ukraine stehen stark im Vordergrund.
Frage: Wie sehen sie die politische Lage im Südsudan?
Bulling: Eigentlich gab es ein Waffenstillstandsabkommen, was aber nicht eingehalten wird. Es wird in mehreren Gegenden im Südsudan wieder gekämpft. Während meines Aufenthalts war ich auch in der Region Uror und konnte dort Bombeneinschläge und Gefechte hören. Am 10. August ist der Stichtag, dann müssen sich die Regierung und die Opposition auf eine Art Übergangsregierung einigen. Wenn das nicht gelingt, wird das Land wohl in einen fortlaufenden Konflikt abgleiten und die Kämpfe gehen weiter.
Frage: In wenigen Wochen geht die Regenzeit zu Ende. Wie ist es um die Landwirtschaft bestellt?
Bulling: Obwohl der Südsudan ein sehr grünes und fruchtbares Land ist, fallen viele Ernten aus, weil die Menschen erst gar nichts ausgesät hatten. Sie sind zum Teil zu Fuß aus ihren Dörfern geflohen, nur mit dem nötigsten am Leib. Ihre Felder haben sie zurückgelassen. Wir verteilen zwar Saatgut an die Familien, die in den UN-Lagern hausen. Doch im Grunde ist es schon zu spät, da es Monate dauern wird, bis die Ernte reif ist. Und die wird wohl nicht ausreichen, um ganze Familien zu ernähren.
Frage: Wie kann man also noch gegen eine Hungersnot steuern?
Bulling: Besonders die umkämpften Regionen sind von der Hungersnot bedroht. Wir müssen weiter dafür sorgen, dass unterernährte Kinder, aber auch Erwachsene Zusatznahrung bekommen. Bevor der Regen aufhört, müssen wir zudem weiter Saatgut verteilen, damit noch etwas angebaut werden kann. Es braucht Wasser und medizinische Hilfe. Unterernährung ist oft auch eine Folge von schlechten hygienischen Bedingungen. Wir müssen also verhindern, dass die Kinder Durchfall bekommen und krank werden. Das alles kann nur geschehen, wenn die Hilfsorganisationen mehr finanzielle Unterstützung bekommen und die Kämpfe endlich aufhören.
Das Interview führte Claudia Zeisel.