Paffhausen: Ich gehe davon aus, dass das zunächst ein akuter Frustabbau war – und wenig oder gar nichts mit den organisierten Protesten zu tun hat, wie wir sie vor der WM erlebt haben. Spätestens nach der WM werden diese Proteste sicher wieder neu aufgenommen, und zwar in organisierter Form. Und dann werden sie sich wieder ganz speziell um die Themen Gesundheit, Verkehr und Bildung kümmern.
Frage: Das wird also kommen?
Paffhausen: Da bin ich ziemlich sicher. Es stehen ja noch zwei Großereignisse an: die Wahlen im Herbst und die Olympischen Spiele 2016. So wie wir die Protestbewegung kennengelernt haben, wird sie organisiert und durchaus friedlich, aber energisch die Themen vorantreiben, die das brasilianische Volk betreffen.
Frage: Das Turnier ist jetzt fast zu Ende. Wird den Armen, etwa den Menschen aus den für die WM geräumten Vierteln, dann die Rechnung präsentiert? Oder glauben Sie, dass die Regierung ihre Zusagen etwa für Wohnungen und Bildung einhalten wird?
Paffhausen: Die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff steht schon ziemlich unter Druck – zumal wenn jetzt das berauschende WM-Fest wegfällt. Sie wird liefern müssen. Die ganzen Proteste finden dann auch wieder ihren Ort, an den sie eigentlich gehören: die Politik, das politische Tagesgeschäft. Die Forderungen der Bevölkerung werden nicht verstummen. Ob die Regierung tatsächlich alles erfüllen kann; ob die finanziellen Mittel da sind und auch in die richtigen Kanäle geleitet werden, ist natürlich die Frage. Aber ich bin da verhalten optimistisch. Die ganze Sozialbewegung ist für mich auch immer ein Zeichen einer sehr positiven demokratischen Entwicklung in Brasilien.