Vertrauenskrise in öffentlichen Institutionen
Eine entscheidende Ursache für eine solche „fundamentalistische Aufladung“ liegt für Bielefeldt in einer Vertrauenskrise in öffentliche Institutionen, etwa durch Korruption, wenn sich Polizei und Gerichte zu „mafiaähnlichen Strukturen“ entwickelten. Der Menschenrechtsexperte der Grünen, Tom Koenigs, nannte das Beispiel von Mullah Omar, dem Führer der Taliban in Afghanistan. Sein Aufstieg habe damit begonnen, dass er Polizisten, die ein Mädchen vergewaltigt hatten, mit Knüppeln erschlug. Die Taliban sind nach Koenigs Überzeugung, „wie alle religiösen Fanatismen geschaffen worden“. In Afghanistan seien schließlich an die Stelle des zusammengebrochenen Bildungssystems Koranschulen getreten. Als weiteren „Brandbeschleuniger“ für Konflikte nennt Koenigs Waffenexporte.
Der Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Evangelischen Allianz, Thomas Schirrmacher, warnt ebenfalls vor Generalisierungen. Es gebe innerhalb der Religionen ständig Verschiebungen, bei denen sich enttäuschte Anhänger wieder abwendeten, wie etwa bei den Muslimbrüdern in Ägypten. Zugleich sieht er die Anhänger der betroffenen Religion in besonderer Verantwortung, wie im Falle des fanatischen US-Pastors Terry Jones, der den Koran öffentlich verbrennen wollte. Hier hätten sich hohe Kirchenvertreter sofort im arabischen Nachrichtensender öffentlich distanziert und Christen hätten mit Menschenketten eine gefährdete Moschee geschützt. Deutliche Kritik übte er dabei an den Medien, die nur auf einen großen Showdown gesetzt hätten.
Prävention stärken
Die Leiterin des Deutschen Menschenrechtsinstituts, Beate Rudolf, fordert zudem, den Aspekt der Prävention zu stärken, damit religiös motivierte Gewalt überhaupt nicht entsteht. Als erfolgreich hat sich nach Einschätzung von Bielefeldt hierbei der Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen und von interreligiösen Beziehungen erwiesen. Denn Warnzeichen seien „sehr gut erkennbar“. Zugleich müsse das Vertrauen in die Institutionen wieder hergestellt werden.
Kommt es aber zu religiös motivierter Gewalt, dann verlangt dies nach Schirrmachers Worten auch ein Eingreifen von außen. So habe nur das Militär in Indien die Pogrome gegen Christen beendet, bei denen mehr als 500 Menschen ums Leben kamen. Dasselbe sei bei den Übergriffen von Muslimfundamentalisten in Indonesien der Fall gewesen. Mit Blick auf Boko Haram mahnte er zu mehr Druck auf die nigerianische Regierung, damit sie das Leben der Bürger schützt.