Weil mich interessiert, in wieweit Michael frei von ethnischen Erwägungen ist, frage ich ihn, was er von der Weissagung des Propheten Ngundeng hält, der vor knapp einem Jahrhundert lebte und voraussagte, dass ein Nuer im Süden des Sudan die schwarzen Völker regieren wird. Er wird ein Linkshänder mit einer Zahnlücke sein, dem, entgegen der Nuer Tradition, nicht mehr mit einem Speer die sechs Linien in die Stirn geritzt werden – Eigenschaften, die auf den Rebellenführer Riek Machar zutreffen und die seine Anhänger an ihn binden. Umso ernüchternder ist die Antwort von Michael: Wenn er auf Gewalt angewiesen ist, um Präsident zu werden, dann ist er von der Weissagung nicht gemeint. Michael ist ein Christ, wo ich spüre, dass er Jesus und sein Versöhnungswerk sich zu Eigen gemacht hat.
Während wir an diesem Morgen reden und Tee trinken, explodiert plötzlich eine Granate – keine 100 Meter von uns. Der Markt grenzt an das Grundstück der Pfarrei. Dort ist ein Soldat mit einem Händler in Streit geraten. Als Polizisten dem Händler zu Hilfe kommen, zündet der Soldat eine Handgranate, die zwei Personen tötet und viele verletzt. Mir wird bewusst, dass die friedlichen Tage in Phom überhaupt nicht selbstverständlich sind. Es wird woanders von Plünderungen der Armee wie der Rebellen berichtet. Wir verdanken dem umsichtigen Verhalten der Kommandeure, dass das Leben weitestgehend normal geblieben ist. Damit das auch so bleibt und die Bevölkerung nicht vor den eigenen Beschützern Angst haben braucht, wird der Täter noch am selben Tag standrechtlich erschossen. Alle Soldaten sollen verstehen, dass sie sich gegenüber Zivilisten korrekt verhalten müssen.
Von Pater Gregor Schmidt
Aus:
kontinente. Ausgabe Mai/Juni 2014.
Mit freundlichen Dank für die Abdruckgenehmigung.