Eine arme Kirche mitten im Wohlstand?
Eine soziologische Perspektive auf den Armutsbegriff erörterte Bernhard Emunds, Professor für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik in Sankt Georgen. Er thematisierte das Paradoxe einer armen Kirche mitten im Wohlstand und forderte die Konsequenzen ein, die sich aus dem christlichen Glauben für die kirchliche Lebenspraxis ergeben: Die Kirche vor Ort dürfe nicht rein bürgerlich bleiben, nicht selbstbezogen und nicht ausschließlich als amtskirchlicher Apparat mit reichen Zentralen, „aus denen das Leben ausgezogen ist“. Der christliche Glaube müsse die institutionelle Religion nicht nur ergänzen, sondern auch korrigieren, wenn sie gegen das Evangelium „falsche Loyalitäten“ bewahre.
Aus dem Glauben heraus habe die Kirche vor Ort sich der Frage zu stellen, wie viel Wohlstand, Macht und Geld sie braucht, um den Glauben zu verdunkeln. Ebenso aus dem Glauben heraus habe die Kirche prophetisch gegenüber systematischer Ungerechtigkeit zu handeln und sich als Kontrast- und Alternativgesellschaft zu zeigen.
Begegnung auf Augenhöhe
Wie wichtig die Armen für die Kirche sind, zeigt sich nicht nur, wenn Papst Franziskus sie als Subjekte der Mission betrachtet, sondern auch Träger der Offenbarung Gottes nennt (Vgl. EG 198). Schwester Agnes Lanfermann, Generaloberin der Missionsärztlichen Schwestern (Medical Mission Sisters), fokussierte in ihrem Vortrag genau auf diese Autorität. Aus der Begegnung auf Augenhöhe mit jenen, die real unter Armut leiden, erwachsen konkrete Impulse für die christliche Sendung. Zum Beispiel nannte Sr. Lanfermann die Schmerzlinderung durch dickere Sohlen unter den Latschen von Arbeitern einer Brennziegelei in Pakistan, gepaart mit dem gemeinsamen Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und der Möglichkeit zur Erziehung. Dadurch werden die Armen sich ihrer Menschenwürde bewusster. Auch wenn es nur wenige in eine bessere Zukunft schaffen, gilt es für den Missionar: bei ihnen zu bleiben, auf dem Weg der Befreiung, und selbst eine Mystik der offenen Augen zu entwickeln um zu erkennen, was Gott und die Leidenden zu sagen haben.