Auch in der Leitung der Weltkirche macht Papst Franziskus diese seine Einstellung deutlich: Acht Kardinäle aus allen Kontinenten beraten ihn, beim letzten Konsistorium erfolgten die Kardinalsernennungen entsprechend der Größe der Ortskirche. Europa und Nordamerika sind deshalb verständlicherweise weniger bedacht worden.
Frage: Welche Rolle spielte dabei die Tatsache, dass mit Franziskus erstmals ein Argentinier an der Spitze der katholischen Kirche steht?
Schick: Papst Franziskus kommt aus Argentinien. Zum ersten Mal ist seit dem Altertum ein Nicht-Europäer Papst. Damit ist die Weltkirche viel mehr in den Blick gekommen, zuerst Lateinamerika, aber auch Afrika und Asien. Es ist nun auch auf dem Stuhl Petri deutlich: Die Kirche ist eine Weltkirche und nicht eine europäische Kirche.
Frage: Kurz nach der Ernennung von Papst Franziskus äußerten Sie im
Interview mit katholisch.de
den Wunsch, dass er die Weltkirche noch deutlicher als eine weltweite solidarische Gemeinschaft gestaltet. Ist ihr Wunsch in Erfüllung gegangen?
Schick: Ich sehe meinen Wunsch erfüllt und ich bin überzeugt, der Papst wird weiter an der Solidarität der Weltkirche arbeiten. Solidarität bereichert alle. Das sollten wir in Deutschland und Europa noch deutlicher sehen: Solidarität ist keine Einbahnstraße, die Weitung der Kirche bereichert alle. Die Weltkirche gibt ‚der alten Kirche Europas‘ frischen Wind in der Spiritualität und durch Personal, Priester und Ordensfrauen und macht unseren Horizont weiter. Die weltkirchliche Solidarität lässt die Gaben, die jede einzelne Ortskirche in den verschiedenen Kontinenten hat, für alle fruchtbar werden. Was wir Europäer an materiellen Gütern einbringen, bekommen wir an geistlichen und personellen zurück. Selbstverständlich muss Solidarität und
Partnerschaft
gepflegt und gestaltet werden.
Frage: In seinem ersten Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ fordert Franziskus eine
arme Kirche für die Armen
. Hilfswerke wie
Misereor
,
Renovabis
oder
Adveniat
sind in ihrer Partnerschaftsarbeit jedoch auf finanzielle Mittel angewiesen. Wie gehen die Hilfswerke mit der Forderung des Papstes um?
Schick: Unsere Hilfswerke sind ganz auf der Linie von Papst Franziskus. Er fordert ja nicht mit dem Slogan, „Eine arme Kirche für die Armen“, dass alle ‚verelenden‘, sondern dass alle gleich reich werden. Er fordert Ausgleich, Solidarität und Partnerschaft der Reichen mit den Armen. Das bedeutet, dass die westliche Welt Güter, Macht und Privilegien abgibt, damit Afrika und Asien reicher werden.
Misereor
,
Renovabis
,
Adveniat
und das
Kindermissionswerk
helfen mit, dass dieser Ausgleich gelingt. Papst Franziskus hat unsere Werke ja auch schon ausdrücklich gelobt.
Frage: Wie wird Papst Franziskus die Weltkirche in den kommenden Jahren verändern? Was werden seine Schwerpunkte sein?
Schick: Der Papst hat – auch in Nachfolge von Papst Benedikt XVI. – die Evangelisierung an oberste Stelle gesetzt und hat vor allem mit seiner Enzyklika
Evangelii gaudium
Maßstäbe gesetzt. Das Evangelium soll in seiner ganzen Fülle verkündet werden und die Welt durchdringen. Das Heil der Menschen durch Jesus Christus soll überall ankommen, dem Reich Gottes der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freude sollen die Wege bereitet werden. Evangelisierung bedeutet für Papst Franziskus: die Herzen der Menschen mit der Liebe und Zärtlichkeit Gottes zu erfüllen und die Strukturen der Gesellschaft mit den Werten und Tugenden der Frohbotschaft zur Zivilisation der Liebe umzugestalten.
Das Interview führte Lena Kretschmann.