Das Vorgehen von „Open Doors“ ist nicht unumstritten: Menschenrechtsexperten kritisieren, dass Christen pauschal die Opfer- und vor allem Muslimen die Täterrolle zugeschrieben werde. Zudem würden Tatbestände wie rechtliche Diskriminierung, Benachteiligung im Alltag oder terroristische Gewalt pauschal unter dem Begriff Verfolgung zusammengefasst. Die Wirklichkeit sei vielfältiger.
Bericht der Kirchen zur Christenverfolgung
Die beiden großen Kirchen haben deshalb im vergangenen Sommer einen
gemeinsamen Bericht
zur Christenverfolgung vorgelegt, der auf Ranglisten verzichtet und stattdessen Strukturen von Benachteiligung, Verfolgung und Gewalt beschrieb. Auch nach ihren Erkenntnissen haben Einschränkungen der Religionsfreiheit zuletzt zugenommen. In 64 Ländern seien erhebliche Restriktionen durch Regierungen nachweisbar – etwa durch Gesetze gegen Gotteslästerung. Weil sich darunter Staaten mit hoher Bevölkerungszahl wie China und Indien befinden, unterlägen rund 70 Prozent der Weltbevölkerung einem hohen oder sehr hohen Maß an Restriktionen.
Wer über Religionsfreiheit diskutiert, muss allerdings auch die Frage einschließen, wie weit Religion zur Gewalt beiträgt. „Religion ist zweifellos oft ein Faktor von Eskalation. Doch Religion ist nie allein die Ursache“, sagt der UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt. „Aktuell sehe ich sie in keinem einzigen Konflikt eindeutig als den entscheidenden Auslöser. Weder in Syrien noch anderswo.“ Vielfach gehe es bei Konflikten zwischen Christen und Muslime nicht um christliche oder islamische Inhalte, sondern um Gruppenzugehörigkeiten, so der Wissenschaftler. „Identitäten werden oft religiös definiert und die Religion wird ihrerseits als Kriterium von Identität instrumentalisiert.“
Von Christoph Arens