
Nachsitzen für Menschenrechte
Allgemeine Bekenntnisse statt konkreter Verpflichtungen: Es ist kein gutes Zeugnis, das Entwicklungsexperten von Germanwatch und Fachleute des katholischen Hilfswerks Misereor dem Menschenrechtsengagement von deutschen Unternehmen ausstellen. Für ihren am Mittwoch präsentierten Bericht „Globales Wirtschaften und Menschenrechte. Deutschland auf dem Prüfstand“ wollten die beiden Organisationen von den deutschen Dax-30-Unternehmen wissen, welche Rolle bei Geschäften im Ausland angemessene Arbeitsbedingungen, der Schutz der Umwelt oder die Belange der Bevölkerung vor Ort spielen.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Allgemeine Bekenntnisse statt konkreter Verpflichtungen: Es ist kein gutes Zeugnis, das Entwicklungsexperten von Germanwatch und Fachleute des katholischen Hilfswerks Misereor dem Menschenrechtsengagement von deutschen Unternehmen ausstellen. Für ihren am Mittwoch präsentierten Bericht „Globales Wirtschaften und Menschenrechte. Deutschland auf dem Prüfstand“ wollten die beiden Organisationen von den deutschen Dax-30-Unternehmen wissen, welche Rolle bei Geschäften im Ausland angemessene Arbeitsbedingungen, der Schutz der Umwelt oder die Belange der Bevölkerung vor Ort spielen.
Positiv vermerken die Autoren, dass es vom Sportartikelhersteller Adidas bis zum Autokonzern Volkswagen Rückmeldungen aus allen Unternehmen gab. Doch die Bilanz ist mager. Nur sieben der 30 wichtigsten deutschen Konzerne haben demnach eine eigene menschenrechtliche Grundsatzerklärung verabschiedet, weitere sieben verfügen über eine Sozialcharta, die einzelne Fragen aus diesem Bereich aufgreift.
Wenig positiv sieht es im geschäftlichen Alltag aus. So untersuchten zum Beispiel viele Konzerne die menschenrechtlichen Folgen ihrer Aktivitäten im Ausland bislang nur oberflächlich, kritisiert Mitautorin Cornelia Heydenreich von Germanwatch. „Inwieweit sich ihre Einkaufspraktiken negativ auf Arbeitsstandards bei ihren Zulieferern auswirken, scheint bislang kein Unternehmen systematisch zu überprüfen und erst recht nicht zu verändern.“
Thema Unternehmensverantwortung gewinnt an Bedeutung
Grundsätzlich wird das Thema, davon sind die Verfasser des Berichts überzeugt, angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Verflechtung über Ländergrenzen und Kontinente hinweg immer wichtiger. Schon jetzt kontrollierten mehr als 80.0000 sogenannte Transnationale Konzerne mit ihren Tochterfirmen einen guten Teil der Warenströme rund um den Globus. Zu den Top-30-Unternehmen dieser Art zählen mit E.ON, Daimler, der Deutschen Telekom und BMW sechs Vertreter aus Deutschland.
Wie verschlungen die Pfade der Globalisierung mitunter sind, untersuchte Misereor erst kürzlich am Beispiel der Kupfermine Antamina in Peru . Die Betreiber des Komplexes nahe der Andenstadt Huaraz produzieren immer wieder wegen Landnutzungskonflikten oder massiven Umweltproblemen Negativschlagzeilen. Den Geschäften tut das aber offenbar keinen Abbruch: Aus Peru bezieht der größte deutsche Kupferhersteller Arurubis 24 Prozent seiner Kupferkonzentrate. Weil Arurubis zugleich ein wichtiger Zulieferer der Autobranche ist, wandert das Metall schließlich in Fahrzeuge mit dem Kennzeichen „Made in Germany“.
Kritik an der Bundesregierung
Die internationale Staatengemeinschaft reagierte vor knapp drei Jahren auf das Problem. Am 16. Juni 2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat einstimmig die „Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“. Diese verpflichten Staaten, Menschenrechtsverstöße durch Unternehmen zu ahnden und nehmen Unternehmen in die Pflicht, Menschenrechte zu achten.
„Das Kanzleramt selbst steht hier auf der Bremse.“
Geschehen ist in Deutschland bislang jedoch nicht viel. Im Gegenteil: Aktuell versuche die Bundesregierung, die neue Transparenzrichtlinie der EU zu verwässern, monieren die Autoren des Berichts. Diese Richtlinie soll Unternehmen dazu anhalten, in ihren Lageberichten auch über soziale, ökologische und menschenrechtliche Probleme im Ausland zu berichten. Für Germanwatch-Expertin Heydenreich bedeutet dies: „Das Kanzleramt selbst steht hier auf der Bremse.“
Misereor-Mitautor und Wirtschaftsfachmann Armin Paasch ergänzt: „Die deutsche Regierung setzt auch in der EU-Handelspolitik bisher einseitig auf die Erschließung ausländischer Märkte und Rohstoffe, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Menschenrechte zu nehmen.“
Nach Ansicht von Misereor und Germanwatch muss die Bundesregierung daher nachsitzen. Trotz Aufforderung unter anderem durch den UN-Menschenrechtsrat und die EU-Kommission habe die Bundesregierung bislang keinen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien vorgelegt, heißt es. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse nun handeln. Und in den nächsten Wochen ein federführendes Ministerium zur Erarbeitung des Plans benennen.
Von Joachim Heinz