Binnen weniger Tage ging Erzbischof Escobar mit drei unterschiedlichen Begründungen für seine Entscheidung an die Öffentlichkeit. Das sorgte für Misstrauen und Furcht, dass die historisch wertvollen Dokumente verloren gehen könnten. Die Wucht der Entrüstung war so groß, dass sich der Erzbischof schließlich entschied, eine Neustrukturierung des Menschenrechtsbüros anzukündigen. Er werde zur Not sein Leben für den Schutz des Archivs geben, erklärte er.
Coto nimmt kein Blatt vor den Mund
Luis Alfonso Coto soll nun das verlorene Vertrauen zurückgewinnen. Er habe dem Erzbischof gesagt, dass er diese Aufgabe nur übernehme, wenn er so arbeiten könne, wie er es für richtig halte: „Dazu gehören Transparenz, Ehrlichkeit und Selbstkritik.“ Und Coto scheut auch vor Kritik an seinem eigenen Dienstherrn nicht zurück: „An der Art, wie das alles über die Bühne gegangen ist, hätte man sicher vieles besser machen können. Er hätte zum Beispiel seine Mitarbeiter im Haus fragen können.“
Um die Zukunft des Menschenrechtsbüros zu gestalten, sei nun dringend notwendig, die Dokumente zu ordnen, zu systematisieren und zu digitalisieren. „Wir laufen sonst Gefahr, dass irgendwann mal ein Verrückter kommt und hier ein Feuer legt – und dann ist alles verloren.“
Dass diese Gefahr kein Hirngespinst ist, hat die Nichtregierungsorganisation „por Busqueda“ ein paar Kilometer Luftlinie entfernt bereits zu spüren bekommen. Die Nichtregierungsorganisation, die sich um das Schicksal verschwundener Kinder aus der Zeit des Bürgerkriegs kümmert, bekam im November nächtlichen Besuch in ihrem Archiv. Unbekannte Täter hatten dort versucht, einen Teil der Dokumente zu zerstören.
In El Salvador habe es bislang noch keine richtige Versöhnung gegeben, sagt Coto. Dazu müsse zunächst die Geschichte tatsächlich aufgearbeitet werden. Zudem müsse das umstrittene Amnestiegesetz aufgehoben werden, unter das sich vor allem Militärs flüchteten, die an vielen Massakern beteiligt waren. Das wäre eine mutige Richtung, meint der Geistliche. Vielleicht die einzige, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen: „Das wird kein einfacher Weg – und Jahre dauern. Aber wir haben angefangen.“
Von Tobias Käufer