Sorge bereitet den Experten vor allem die Lage in Afrika und im Nahen Osten. Neben Mängeln in Wirtschaft und Regierungsführung schränke der Faktor Religion „individuelle Überzeugungen und Wahlmöglichkeiten“ ein. So habe in den vergangenen zwei Jahren der Einfluss des Islamismus'' in acht arabischen Ländern noch einmal zugenommen. Ähnliches gelte für manche Staaten Westafrikas. Im Osten des Kontinents hingegen spielten christliche Kirchen und Bewegungen eine zunehmend gewichtige Rolle in der Politik und in der Debatte über die Ausrichtung von Rechtsordnungen und Institutionen. Dabei verweist die Studie auf die Lage in Uganda, Äthiopien, Eritrea, Kenia und Tansania.
Konfliktpotenzial bergen auch die Autokratien, die seit Jahren einen stabilen Anteil von 42 Prozent der untersuchten Staaten ausmachen. Kurz vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi reihen die Autoren des Transformationsindex erstmals auch Russland in den Kreis dieser Länder ein. Dass in Europa und an seinen Rändern keineswegs eitel Sonnenschein herrscht, belegen die Einzelanalysen zu Bulgarien, Rumänien oder Ungarn. Hier verzeichnet der Index teils massive Einbußen in der Presse- und Meinungsfreiheit. Der Qualitätsjournalismus gehe zugunsten „käuflicher Berichterstattung“ zurück, in Ungarn habe sich die Regierung weitreichende Kontrollmöglichkeiten über die Medienlandschaft gesichert.
Erstarken der Zivilgesellschaft
Doch wo Schatten ist, ist auch Licht: Als „Silberstreif am Horizont“ werten die Autoren eine bessere politische Beteiligung der Zivilgesellschaft in 23 Ländern. In Indien etwa seien inzwischen drei Millionen Nichtregierungsorganisationen aktiv. Hinzu kommen die Möglichkeiten, sich über Internet und soziale Medien zu vernetzen. Mit diesen Kräften das Gespräch zu suchen: Darin sieht der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Aart de Geus, ein wichtiges Mittel zur Lösung von Problemen der wirtschaftlichen und sozialen Gerechtigkeit. Wie das konkret gehen kann? Dafür lohne der Blick nach Lateinamerika etwa auf Uruguay, Chile und Brasilien.
Alle diese Länder liegen im Transformationsindex bei den Kernbereichen Demokratie, Marktwirtschaft und Regierungsqualität unter den Top Ten. Und zeichnen sich, so die Projektleiter Sabine Donner und Hauke Hartmann, durch lernwillige Politiker und einen konstruktiven Dialog mit Protestbewegungen aus. An solche Erfahrungen ließe sich auch in anderen Teilen der Welt anknüpfen, heißt es. Für Syrien freilich ist es dafür bereits zu spät. Und offen ist, ob es auf der Konferenz in der Schweiz zu tragfähigen Lösungen für ein Ende des Bürgerkrieges kommt.
Von Joachim Heinz