Mina: Das Wesentliche ist, dass allen Ägyptern ihr Recht zugesprochen wird. Wenn allen Ägyptern ihre Rechte zugesprochen werden, dann auch den Christen. Das ändert schon mal etwas. Es ist auch nicht die Verfassung, die Rechte garantiert – sondern die Anwendung der Verfassung. Denn nach der Wahl der Verfassung müssen die Gesetze geschrieben werden. Das Parlament wird diese Aufgabe übernehmen und den Text der Verfassung in Gesetze übersetzen. Entweder wird die Regierung diese Gesetze freiwillig anerkennen – oder die Menschen werden danach fragen und die Rechte einfordern, die noch nicht in die Praxis umgesetzt sind.
Was die Christen betrifft, so ist es das erste Mal in einer ägyptischen Verfassung, dass sie ein Recht darauf haben, Orte der religiösen Anbetung zu bauen, also auch Kirchen. Dies ist bereits ein großer Schritt, dem weitere Schritte folgen werden. Wir haben darauf bestanden, dass die Religionsfreiheit absolut ist. Das heißt, es gibt keine Einschränkungen dafür, was eine Person glauben soll oder nicht oder dass jemand seine Religion wechseln kann und so weiter. Daran ist weiterhin zu arbeiten. Religiöse Kultfreiheit und freie Meinungsäußerung gehören auch dazu. Das ist gemäß dem Text der neuen Verfassung auch ein Recht.
Diese Verfassung spricht sich zudem stark gegen Diskriminierungen jedweder Art aus. Es wird eine Organisation geben, die Diskriminierungen verfolgen wird, Diskriminierungen, die alle Ägypter betreffen, aber insbesondere auch die Christen. Diese Verfassung ist aber nicht extra für die Christen oder für die Arbeiter oder die Bauern oder für die Frauen geschrieben worden, sondern: Wir wollten, dass dieser Verfassungstext die Rechte von Minoritäten garantiert, und das macht Demokratie aus.
Frage: Wird die neue Verfassung die Menschen in Ägypten wieder zusammenbringen? Was ist ihre persönliche Meinung?
Mina: Mir scheint, dass es bezüglich des Verfassungstextes eine große Zufriedenheit und ein großes Interesse gibt. Natürlich gibt es auch Muslime, denen der Text nicht gefällt. Es gibt nichts Perfektes. Ich erhalte aber zumeist positives Feedback von den Menschen. Ich hoffe auf eine breite Beteiligung beim Referendum – es geht nicht nur um ein „Ja“ oder ein „Nein“. Das ist mir wichtig. Eine doppelt so hohe Beteiligung wie beim letzten Mal, wenigstens. Das hoffe ich.
Frage: Worin gründet sich Ihre Hoffnung, dass die neue Verfassung das Leben verbessert?
Mina: Die Menschen sind momentan sehr enthusiastisch. Hier geht es nicht einzig und allein um die Verfassung. Die Leute sehen dies auch als eine Weiterführung der Revolution vom 25. Januar. Ich habe großes Vertrauen in das ägyptische Volk, dass sie ihre Revolution unterstützen werden und der neuen Verfassung zustimmen.
Das Interview führte Missio-Mitarbeiterin Susanne Kruza.