Overbeck: Die Hilfswerke haben darauf sehr klare Hinweise gegeben in den Monaten, in denen der Konflikt schwelte. Ich hoffe, dass wir mit der bevorstehenden
Adveniat-Kollekte
zu Weihnachten wieder gute Ergebnisse erzielen. Die Armen, für die wir ja da sind, sollten nicht darunter zu leiden haben. Natürlich haben wir sehr wohl wahrgenommen, wie kritisch viele jetzt auf jede Form von Finanzgebaren der Kirche achten. So berichten mir viele Caritas-Sammlerinnen, wie anstrengend es sei, von Haus zu Haus zu gehen und diese Vorwürfe zu hören. Dabei wollten sie ja eigentlich um eine Gabe für Arme bitten.
Frage: Ausdrücklich oder indirekt wird auch von den deutschen Bischöfen ein „Franziskus-Style“ eingefordert, etwa in der Dienstwagen-Diskussion.
Overbeck: Die Frage stellt sich ja immer mit einer konkreten Aktion. Dass es keine Übertreibungen braucht, ist klar. Gleichzeitig muss man kühlen Kopf und Bescheidenheit bewahren und sich auch so verhalten. Solche Fragen beschäftigen mich natürlich schon immer – allerdings bekommen sie durch die Form, in der sie Papst Franziskus öffentlich vorlebt, natürlich eine andere Intensität.
Frage: Was halten Sie von der Idee eines „Pflicht-Aufenthalts“ in Lateinamerika oder Afrika für deutsche Bischöfe?
Overbeck: Wir leben heutzutage mit vielen weltkirchlichen und internationalen Kontakten. Man muss also nicht überall bis zum Ende der Welt gereist sein, um zu wissen, wie es dort ist. Im Sinne der vorherigen Frage muss man ja auch schauen, welches Geld man wofür ausgibt. Wer will, der ist heute weltaufgeklärt. Und wer nicht will, den können Sie hinschicken, wohin Sie wollen, der wird es auch nicht werden. Man sollte Entscheidungsträgern Gelegenheit geben, vor Ort solche Erfahrungen zu machen – aber einladend, nicht verpflichtend.
Frage: Ein Gedanke, den Franziskus immer wieder thematisiert, müsste in Deutschland eigentlich viel Unbehagen auslösen: Ein Christ kann Nächstenliebe nicht einfach auslagern an Professionelle, die das, etwa mit der Caritas, für einen erledigen. Tenor: Ich zahle Kirchensteuer, dann bin ich dieses Engagement los. Aber so funktioniert das nicht, sagt der Papst – man ist auch persönlich gefragt.
Overbeck: Erst mal ist es doch ein Segen, dass es diese Form der Caritas gibt: mit Kindergärten, Krankenhäusern, Altenheimen und anderen Institutionen, die Menschen in unterschiedlichsten Sorgen und Nöten beistehen. Natürlich enthebt das niemanden der Notwendigkeit, das ihm Mögliche im Alltag zu tun, dass die Caritas ein Gesicht bekommt. Das kann von einem aufmerksamen Gespräch über die Mitarbeit in einer Armenküche bis hin zur Freundlichkeit Menschen gegenüber gehen, die an der Haustür klingeln und um ein Butterbrot bitten. Ich gehöre nicht zu denen, die die Leute da gleichsam verhaften wollen.
Und was etwa Adveniat angeht: Der Ruf der Kirche in Deutschland ist in Lateinamerika auch deswegen so gut, weil viele dankbar sind für die Hilfe, die den Armen durch Spendengelder zugutekommt. Auch das ist Caritas. Mit Kirchen- und Pfarreibauten dort werden Liturgie und Seelsorge ermöglicht. Viele Menschen geben also hier in Deutschland Geld und setzen sich damit dafür ein, dass es anderen besser geht. Das sollten wir doch dankbar wahrnehmen.
Von Alexander Brüggemann