Franziskus beeindruckt die Menschen mit seiner Ausstrahlung, seiner Authentizität. Er spricht einfach und verständlich, bringt klare, mitunter zugespitzte Botschaften. Die Menschen strömen zu seinen Messen und Audienzen. Der Papst nimmt sich viel Zeit für die Fahrten im Jeep durch die Menge, grüßt Kranke und Behinderte, herzt Kinder.
Das Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“
In seinem soeben erschienenen
Lehrschreiben „Evangelii gaudium“
, einer Art Pontifikatsprogramm, hat er eine Neuausrichtung der Kirche auf allen Ebenen gefordert. Er will mehr Kollegialität und Synodalität an der Kirchenspitze. Es geht ihm um eine
arme Kirche für die Armen
, die auf die Menschen vor allem an der Peripherie zugeht. Und in der das Amt – einschließlich des Papstamtes – nicht Macht, sondern vor allem Dienst bedeutet.
Große politische Aufmerksamkeit fand Franziskus mit seinem Solidaritätsappell auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa. Aber auch sein Weltgebetstag für Syrien unmittelbar vor der drohenden US-Militärintervention erfuhr religionsübergreifend und weltweit viel Beachtung. Als Heimspiel erwies sich seine erste Auslandsreise zum Weltjugendtag in Rio de Janeiro.
Zu viel Bergoglio – zu wenig Papst?
Der neue Stil an der Kirchenspitze gefällt freilich nicht allen. Seine Messen seien zu wenig feierlich, seinen Predigten fehle theologischer Tiefgang, und er amtiere immer noch mit einer provisorischen Regierungsmannschaft, ist zu hören. Manche halten seine Markt- und Wirtschaftskritik für zu „links“. Überhaupt sehe man zu viel Bergoglio und zu wenig Papst. Die Nähe zu den Menschen gehe zu Lasten der Würde des Petrusamtes.
Neun Monate nach seiner Wahl genießt Franziskus einen Vertrauensbonus in Medien und Öffentlichkeit. Viele seiner Anregungen werden als Reform, als Öffnung gefeiert, auch wenn Ähnliches bereits vom Vorgänger gesagt wurde. Unklar ist freilich, wie konkret diese Änderungen aussehen sollen: Etwa zu einem Kommunionsempfang für wiederverheiratete Geschiedene bekräftigt Bergoglio ausdrücklich die geltenden Normen der Kirche. Er verstehe sich als „Sohn der Kirche“, freilich offen für die Debatte.
Von Johannes Schidelko