Wenig konkret bleibt der Koalitionsvertrag hinsichtlich der Vorgaben für verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen, die im Ausland handeln. Hier erwarten wir von einem vorzulegenden Aktionsplan weitergehende Maßnahmen.
Frage: Ausdrücklich erwähnt wird im Koalitionsvertrag das Engagement der Kirchen für die Entwicklungspolitik. Freuen Sie sich darüber, als Hilfswerk, das schon viele Jahre in der Entwicklungspolitik arbeitet?
Schilder: Ja, das freut uns natürlich, insbesondere weil es einhergeht mit der Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft insgesamt. Uns liegt sehr daran, die Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft in der Entwicklungspolitik zu stärken. Und das ist eben auch im Koalitionsvertrag benannt. Wir haben in der letzten Legislaturperiode immer wieder gesehen, dass Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft eingeschränkt wurden, zum Beispiel in der Zusammenarbeit in Ländern wie Afghanistan, wo es dann Vorgaben gab, dass doch Entwicklungsorganisationen stärker dort aktiv werden sollten, wo auch die Bundeswehr aktiv wird. Das haben wir immer sehr kritisch gesehen, als politische Einflussnahme, und wenn hier ein neuer Wind weht, dann begrüßen wir das natürlich ausdrücklich.
Frage: Zwei Milliarden Euro wollen Union und SPD ausgeben für Entwicklungspolitik. Das klingt nach einer Menge Geld. Sehen Sie das auch so?
Schilder: Das reicht natürlich nicht. Das reicht vor allem nicht, um die internationalen Verpflichtungen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandseinkommens für Entwicklungszusammenarbeit zu mobilisieren, bis zum Jahr 2015 zu realisieren. Und auch die versprochenen zwei Milliarden – wenn man das auf vier Jahre umlegt, sind das 500 Millionen. Angesichts der mittelfristigen Haushaltsplanung der letzten Legislatur, die ja ein Absinken des BMZ-Etats vorsah, würde dieser Aufwuchs nur zu einer Stagnation führen, auf gleichem Niveau, bei 0,38 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Wir sind also weit davon entfernt, internationale Verpflichtungen zu erfüllen.
Positiv sehen wir hier die Einigung auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, auch wenn hier noch Fragen offen sind, zum Beispiel die Frage der Ausnahmen, aber auch die Frage der Mittelverwendung. Hier muss es eine politische Zusicherung geben, dass ein Teil der Mittel eben auch für nachhaltige Entwicklung in Entwicklungsländern verwendet wird.
Frage: Fassen wir noch mal zusammen: Gute Ansätze, gute Absichtserklärung, was die Entwicklungspolitik im Koalitionsvertrag angeht – aber es muss noch konkreter werden?
Schilder: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, das ist völlig richtig. Grundsätzlich sehen wir es kritisch, dass ein „Weiter-so-wie-bisher“ im Koalitionsvertrag eigentlich dominiert. Wir hatten ursprünglich die Hoffnung formuliert, dass der Koalitionsvertrag zu einer Weichenstellung für eine sozial-ökologische Transformation führt. Wir sehen aber, dass das Bekenntnis zu dem traditionellen Wachstumspfad im Koalitionsvertrag eigentlich einer Transformation der Gesellschaft insgesamt entgegensteht.
Das Interview führte Matthias Friebe.
Mit Dank für die freundliche Abdruckgenehmigung von
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