Koalition will Aufenthaltsrecht für Asylbewerber lockern
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Koalition will Aufenthaltsrecht für Asylbewerber lockern

Union und SPD wollen in einer neuen Regierung die Situation von Flüchtlingen in Deutschland verbessern. Dazu soll unter anderem eine neue alters- und stichtagsunabhängige Regelung für das Aufenthaltsrecht von Flüchtlingen geschaffen werden, die die „Integrationsfähigkeit“ der Betroffenen stärker berücksichtigt. Dies geht aus dem Vertrag für eine große Koalition hervor, der am Mittwoch in Berlin offiziell vorgestellt wurde.

Erstellt: 28.11.2013
Aktualisiert: 12.07.2015
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Union und SPD wollen in einer neuen Regierung die Situation von Flüchtlingen in Deutschland verbessern. Dazu soll unter anderem eine neue alters- und stichtagsunabhängige Regelung für das Aufenthaltsrecht von Flüchtlingen geschaffen werden, die die „Integrationsfähigkeit“ der Betroffenen stärker berücksichtigt. Dies geht aus dem Vertrag für eine große Koalition hervor, der am Mittwoch in Berlin offiziell vorgestellt wurde.

Zudem soll die Bearbeitungszeit bei Asylverfahren verkürzt werden. Angesichts der gestiegenen Asylbewerberzahlen solle die Verfahrensdauer bis zum Erstentscheid drei Monate nicht übersteigen, heißt es in dem 185-seitigen Papier. Außerdem wollen die Koalitionäre die sogenannte Residenzpflicht für Aylbewerber und Geduldete lockern. Ein vorübergehendes Verlassen des Bundeslandes soll unter Angabe des Zielorts möglich sein.

„Mehrstaatigkeit wird akzeptiert“

Eine Einigung erzielten die Parteien auch bei der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft. Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern soll künftig der sogenannte Optionszwang entfallen. Explizit heißt es in der Vereinbarung: „Mehrstaatigkeit wird akzeptiert“. Zugleich wird aber das geltende Staatsangehörigkeitsrecht nicht grundsätzlich angetastet.

Der Vertreter der katholischen Kirche in der Hauptstadt, Prälat Karl Jüsten, bezeichnete den Ausbau des sogenannten Resettlement-Verfahrens als erfreulich. Zudem begrüßte er, dass Union und SPD sich dafür einsetzen wollen, dass sich die europäische Grenzschutzagentur Frontex konsequent an menschrechtliche und humanitäre Standards hält.

Caritas -Präsident Peter Neher begrüßte den Koalitionsvertrag. Dass Kinder ausländischer Eltern sich nicht mehr zwischen zwei Staatsangehörigkeiten entscheiden müssen, „entspricht der Realität unserer multikulturellen Gesellschaft und ist ein längst überfälliger Schritt“, so Neher.

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Jesuiten: Vertrag ist Dokument des Misstrauens

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst reagierte skeptisch. Der Vertrag sei ein Dokument des Misstrauens gegenüber Flüchtlingen, sagte dessen Direktor Frido Pflüger. Er enthalte nebeneinander positive Bekenntnisse zur nötigen Willkommenskultur und Drohungen von Ausweisung und Abschottung. Es sei aber zu begrüßen, so Pflüger, dass sich Union und SPD auf eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung für Menschen geeinigt hätten. Auch die geplanten Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und die Lockerungen der sogenannten Residenzpflicht, die es Geduldeten und Asylsuchenden verbietet, ihre Stadt oder ihren Landkreis zu verlassen, sei positiv.

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) reagierte zurückhaltend auf die Vereinbarungen zur doppelten Staatsbürgerschaft. Die Abschaffung der Optionspflicht sei zwar zu begrüßen, die notwendige Schaffung eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts für eine mobile Gesellschaft bleibe aber aus, so der Rat. Es fehle eine migrationspolitische Gesamtstrategie.

Deutliche Kritik kam auch von der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl : „Die Hardliner der Union haben sich bei der europäischen Flüchtlingspolitik durchgesetzt“, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Die SPD ist auf den Kurs der Abschottung eingeschwenkt.“ Der Ausbau der Abwehrmaßnahmen an und vor Europas Grenzen gehe einher mit einigen Lockerungen im Inland.

Dagegen bezeichnete die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) diese Vereinbarungen als völlig unzureichend. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagte der TGD-Vorsitzende Kenan Kolat. Die Optionspflicht für Kinder werde zwar abgeschafft, aber für die Generation der Eltern und Großeltern ändere sich nichts.