
Bildung nur für Reiche?
Wir müssen heute eine Kultur der Solidarität schaffen, damit keiner beim Wettlauf um gute Bildung auf der Strecke bleibt“, das hat der Erzbischof von Concepción in Chile, Fernando Chomalí, am Montag in Berlin gefordert. Eine sehr gute Bildung sei in Chile nur für Reiche zu haben. Deshalb müsse der Staat eine aktivere Rolle im Bildungsbereich übernehmen und eine kostenfrei zugängliche Bildung für alle ermöglichen.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Wir müssen heute eine Kultur der Solidarität schaffen, damit keiner beim Wettlauf um gute Bildung auf der Strecke bleibt“, das hat der Erzbischof von Concepción in Chile, Fernando Chomalí, am Montag in Berlin gefordert. Eine sehr gute Bildung sei in Chile nur für Reiche zu haben. Deshalb müsse der Staat eine aktivere Rolle im Bildungsbereich übernehmen und eine kostenfrei zugängliche Bildung für alle ermöglichen.
In Chile gebe es den Glauben, sozialen Wandel allein durch wirtschaftliches Wachstum zu schaffen. Dabei werde die menschliche Entwicklung vernachlässigt und allein das Gewinnstreben gefördert. Erzbischof Chomalí sei aber davon überzeugt, dass sich die Menschen ändern müssten. Eine ganzheitliche Bildung sei dabei der Königsweg hin zu einer gerechteren Gesellschaft. „Bildung für alle!“ lautete der Titel der Podiumsveranstaltung in der Vertretung des Landes Niedersachsen, bei der Vertreter aus Politik und Kirche auf Einladung des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat, des Bistums Osnabrück und der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands zusammenkamen, um darüber zu sprechen, wie ein ganzheitliches Bildungsangebot gelingen kann.
Am Menschen orientierte Entwicklungshilfe
„Wenn es um Bildung geht, muss der Mensch im Mittelpunkt stehen“, betonte auch Adveniat-Geschäftsführer Prälat Bernd Klaschka. In Lateinamerika gebe es mehr als 400 indigene Kulturen. Für die Ureinwohner sei es besonders wichtig, die eigene Identität leben zu können. Grundvoraussetzung dafür sei ein differenziertes Bildungssystem. Von der deutschen Bundesregierung forderte Klaschka deshalb eine am Menschen orientierte Entwicklungshilfe, die nicht allein auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtet sei. Prof. em. Heinz Neuser von der Fachhochschule Bielefeld erwartet zudem eine Erhöhung des Entwicklungshilfeetats: „An dieser wichtigen Stellschraube müssen wir drehen, um weiterhin mit den Menschen in Lateinamerika, insbesondere den Indigenen, solidarisch zu sein.“ Ein durchlässiges Bildungssystem sei ein entscheidender Faktor für eine gelingende Entwicklung in Lateinamerika, sagte Neuser.

Kritik am deutschen Bildungssystem
Auch das deutsche Bildungssystem sei auf Leistung und nicht auf die Förderung individueller Fähigkeiten fokussiert, beklagte Karin Silbe. Die Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung forderte von der neuen Bundesregierung ein umfassendes, möglichst differenziertes Bildungssystem, das auch Raum für außerschulische Entwicklung lasse. Aufgrund der hohen schulischen Anforderungen hätten junge Menschen heute kaum mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement. Wichtig sei dabei auch, dass die Schule auch im ländlichen Raum im Dorf, nahe bei den Menschen bleibe. „Sozialverhalten und Gemeinschaftsgefühl bleiben beim Leistungsprinzip auf der Strecke“, sagte auch der Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Berlin, Wolfgang Klose. Für viele Kinder bestehe die Gefahr, dass sie einfach nicht mehr mitkämen. Schule müsse Kindern die Möglichkeit zu individueller Entwicklung geben und Werte vermitteln, sagte Klose.
„Wir sind alle an einen Stern gebunden“, zitierte Erzbischof Chomalí am Ende der Podiumsdiskussion aus einem chilenischen Gedicht. Jede Anstrengung, die für eine bessere Bildung unternommen wird, sei deshalb nicht nur eine Anstrengung für die armen, sondern auch für die reichen Länder. „Es wird auf der ganzen Welt immer weitere Lampedusas geben, wenn es nicht eine Politik der internationalen Solidarität gibt“, sagte Chomalí.
Die Podiumsdiskussion war der politische Auftakt zur Adveniat-Aktion 2013 , die am ersten Adventssonntag in Osnabrück eröffnet wird. Unter dem Motto „Hunger nach Bildung“ stellt die Jahresaktion den Einsatz der Kirche für mehr Bildungsgerechtigkeit in den Blickpunkt. In Lateinamerika und der Karibik sind Bildungschancen nach wie vor stark von der sozialen Herkunft und finanziellen Möglichkeiten abhängig. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat setzt sich seit Jahrzehnten für mehr Bildungsgerechtigkeit in Lateinamerika und der Karibik ein.