Deutschlands Rolle im Schattenfinanzindex
Weil in der Praxis die Bestimmungen oft zugunsten Deutschlands ausgelegt würden, sorgten die Doppelbesteuerungsabkommen dafür, dass die Einkommensbasis von Entwicklungsländern sinke, erläutert Misereor-Experte Klaus Schilder. Die Bundesrepublik trage damit zum Fortbestehen von Armut und Hunger bei. „Denn knappe öffentliche Kassen gefährden den Kampf gegen die Armut und die Verwirklichung der Menschenrechte in diesen Ländern.“
Nachholbedarf sehen Schilder und andere auf vielen weiteren Gebieten: zum Beispiel der Transparenz bei Großunternehmen oder dem Informationsaustausch mit dem Ausland. „Deutschland muss für mehr Transparenz seiner international agierenden Unternehmen sorgen. Nur so kann sichergestellt werden, dass diese auch ihren gerechten Anteil an der Finanzierung der armen und ärmsten Länder des Südens – aber auch der dringend notwendigen Investitionen in Deutschland leisten,“ präzisiert Wolfgang Obenland von der Organisation
Global Policy Forum
, Mitherausgeber des Berichts „Schattenfinanzzentrum Deutschland“.
Das Vereinigte Königreich als größte Steueroase
Als Industrienation und wichtige Handelsdrehscheibe ist Deutschland im Ranking nicht allein. Auch die USA und Japan belegen im „Schattenfinanzindex“ einen Platz in der Spitzengruppe, die wie bei der davorliegenden Studie 2011 von der Schweiz angeführt wird. Insgesamt nahm das Tax Justice Network das Finanzgebaren in 82 Ländern und Regionen unter die Lupe. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich freilich eine andere Nation „bei weitem“ als größte Steueroase: das Vereinigte Königreich mit seinen zahlreichen Besitzungen wie den Kanalinseln Guernsey und Jersey oder den Besitzungen Gibraltar und Anguilla.
In einem Brief an die britische Königin fordert der Direktor von Tax Justice Network, John Christensen, einer der „schädlichsten Fehlentwicklungen der globalen Wirtschaft“ einen Riegel vorzuschieben und speziell die Überseegebiete und Kronbesitze auf internationale Standards zu verpflichten. Der Mann weiß, wovon er spricht: Christensen war früher Wirtschaftsberater der Regierung von Jersey.
Von Joachim Heinz