Spiegel: Auch in einer armen Kirche kann es prioritär um Klerikalismus, um Karrieren, um Machterhalt und Geld gehen. Nur wegen der Tatsache, dass eine Ortskirche arm ist, entspricht sie noch nicht dem Evangelium. Und eine reiche Kirche ist nicht automatisch weiter weg von Jesus, nur weil sie eine reiche Kirche ist. Aber für sie ist es vermutlich schwieriger, Jesus nachzufolgen, weil sie mit ihrem Geld auf viele Sicherheiten bauen kann, die von unserem Glauben her keine wirklichen Sicherheiten sind. Aber solche Kausalitäten – eine arme Kirche entspricht dem Evangelium, eine reiche Kirche widerspricht ihm – lassen sich nicht sinnvoll behaupten, das ist schon etwas komplexer. Es kommt hier auf die Optionen an, von denen her der Weg gestaltet wird. Denken Sie an den
Katakombenpakt
, in dem sich zahlreiche, vor allem lateinamerikanische Bischöfe noch während des Zweiten Vatikanischen Konzils verpflichtet haben, so zu leben, wie Menschen um sie herum üblicherweise leben, etwa was die Wohnung, die Nutzung von Verkehrsmitteln oder das Essen angeht. Viele Deutsche können sich solche Autos, wie sie den Bischöfen hierzulande zur Verfügung stehen, nicht leisten.
Frage: Also die edlen Limousinen verkaufen und auf günstige Mittelklasse umsteigen?
Spiegel: Viele Leitungspersonen, dazu gehören die Bischöfe, weisen zu Recht darauf hin, dass sie auf ihren Reisen arbeiten müssen. Die Frage ist aber, wie sie reisen. Wir müssen die Dinge grundsätzlicher in den Blick nehmen. Wir leben in einer Welt, in der es stark um Bilder und Zeichen geht. Der Fuhrpark ist nur ein Beispiel dafür, wie wir als Christen und Christinnen sozusagen unterwegs sind. Ich war als Pfarrer in Brasilien, ebenso in Deutschland meist so unterwegs, dass ich die Leute und sie mich ansprechen konnten. Man hat miteinander gesprochen, zugehört und sich herzlich verabschiedet. Wenn ich mit dem Auto gefahren bin, war das ganz anders. Es geht also eher um die Nutzung des Fuhrparks. Bei Misereor versuchen wir das Auto nur als letzte Option zu nutzen. Darüber nachzudenken, stellt in jedem Fall eine konstruktive Unterbrechung des Bisherigen dar. Wir lernen zurzeit neu, wie die Kirche, wie wir als Christen und Christinnen in der säkularen Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Die Öffentlichkeit lehrt uns, dass wir es zu wenig schaffen, arme Kirche für die Armen zu sein. Die Kritik wird uns helfen, authentischer zu werden und den Wandel voranzutreiben. Deswegen sollten das Auto oder das Haus des Bischofs nicht zu zentralen Symbolen der Kirche werden.
Das Interview führte Alexander Foitzik.
Dies ist die gekürzte Fassung eines Beitrags aus der
Herder Korrespondenz 11/2013
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