Die jetzige Asyl-Regelung tritt die Menschenwürde auch in anderer Hinsicht mit Füßen. Die Zustände in den südeuropäischen Flüchtlingslagern sind schlichtweg menschenunwürdig. Das sei sogar schon bis nach Deutschland durchgedrungen:
„Das zeigt sich schon darin, dass zum Beispiel Leute, die in Deutschland aufgegriffen werden, die aber nach Italien zurückmüssen, weil Italien zuständig ist, schon heute nach vielen deutschen Gerichtsurteilen nicht mehr nach Italien zurückgeschickt werden dürfen, weil die Zustände in Italien so unerträglich und nicht mehr menschenwürdig sind. Und für Griechenland ist es schon generell ausgeschlossen. Das heißt, es sind einfach Neuregelungen fällig!“
Papst Franziskus setzt Zeichen
Das Bewusstsein dafür sei auch in der Öffentlichkeit gewachsen, beobachtet Pflüger. Viele Menschen in den Zielländern sähen inzwischen, „dass wir so einfach nicht weitermachen können“. In Deutschland etwa ergriffen mehr und mehr Bürger für Flüchtlinge das Wort, so der Jesuit, der eine wachsende Sensibilität und Solidarität in der Bevölkerung wahrnimmt. Dies ist seiner Meinung nach auch Papst Franziskus zu verdanken, der mit seinen Besuchen in Lampedusa, im römischen Flüchtlingszentrum Astalli und mit seiner Fürsprache für Migranten die Gemüter wachrüttelt:
„Jetzt kann niemand mehr das Lampedusa-Problem ignorieren – dass da hunderte und in den letzten Jahren tausende von Menschen im Mittelmeer ertrunken sind. Und dass wir Europäer immer stärkere Abwehrmaßnahmen entlang des Mittelmeers produzieren durch die Frontex-Einsätze, die die Boote ja abdrängen sollen und die bisher ja nicht einmal einen Auftrag hatten, die Gestrandeten zu retten!“
Politik reagiert zögerlich
Während die Bürger mehr und mehr aufwachen, nimmt sich die Politik des Themas erst nach und nach stärker an. Mit der deutschen Regierung geht der Jesuit scharf ins Gericht. Als stabiles Land in Europa habe Deutschland besondere Verpflichtungen gegenüber anderen EU-Ländern und hilfsbedürftigen Menschen – und zwar nicht nur wirtschaftlich:
„Es ist ja auch ein moralischer Druck – wissen Sie, wenn der deutsche Innenminister nach der Lampedusa-Katastrophe, wo mehr als 300 Leute umgekommen sind, als erstes sagt: ,Deutschland sieht keinen Bedarf, etwas zu ändern‘ – ist das doch eine Armutserklärung für ein Land mit unserer moralischen und humanistischen Tradition. Ich glaube, dieser Druck auf unsere Politiker muss aufrecht erhalten werden, dass Politiker solchen Unsinn nicht mehr einfach sagen dürfen ohne Konsequenzen.“