Inzwischen leben ganze Familien hier, der Krieg geht ins dritte Jahr, ein Ende ist nicht in Sicht. Die immer enger zusammen rückenden Menschen sind immer schutzloser Krankheiten und Epidemien ausgesetzt. Würden Sie Ihre Schwester abweisen, die lange in Syrien ausgeharrt und nun ebenfalls erschöpft vor Ihrem Notquartier ankommt?
Herumirrende Flüchtlinge – was soll das sein?
In den Medien hat sich aktuell die Formulierung „herumirrende Flüchtlinge in Syrien“ durchgesetzt. Diese Bezeichnung ist völlig unzutreffend. Welche Schwangere würde nicht weiterziehen, wenn das Krankenhaus in der Stadt, wo Hoffnung auf Unterkunft bestand, zusammen gebrochen ist? Wenn ein Familienmitglied einen Arzt benötigt? Wenn die Kinder keinen Fuß vor die Tür setzen können, ohne in Mienenfelder zu laufen?
Zurück auf dem Kirchhof in Madaba. Pro bedürftige Familie gibt es vier bunte Decken und einen Behälter mit Hygieneartikeln. Nein, das schützt nicht gegen Giftgas. Bei Bedarf gibt es besondere Gutscheine, etwa für Babynahrung und Medikamente.
Die Decken wurden in Handarbeit hergestellt. „Wir wollen die Menschen ermutigen, so etwas auch selber zu nähen“, sagt Yazan Haddadin. „Der bunte Stoff bringt Farbe in die tristen Unterkünfte. Die Decken sind zudem ein Wiedererkennungs-Merkmal.“
Haddadin begann als Freiwilliger bei der Caritas. Über 1.000 Helferinnen und Helfer wurden bisher gewonnen, das ist ein kleines Wunder. Als der Strom der Flüchtlinge aus Syrien anschwoll, bekam Haddadin einen festen Job im Team.
Ein Mittel gegen Kopfläuse
Ahmad ist mit seiner Mutter gekommen, um ihr beim Tragen zu helfen. Seine Mutter weiß nicht, ob ihr Mann noch lebt. Und sie hat ein ganz praktisches Problem: Die Mädchen haben Kopfläuse.
„Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist bitter“ haben wir früher gesagt. Selbst die improvisierteste Unterbringung abseits der umkämpften Zonen ist besser, als in den eigenen vier Wänden vom Krieg überrollt zu werden.
Die bekannteste Unterbringung für Flüchtlinge sind Camps. Wir kennen sie aus den Medien. „Camps sind inhuman, ein Ghetto voller Menschen in Not. Keine Nachbarschaft, keine Möglichkeit für die Menschen Arbeit zu finden. Alles muss von Grund auf aufgebaut werden, das macht sie obendrein zur teuersten Lösung“, sagt Wael Suleiman, Leiter der Caritas Jordanien.
„Wir helfen auch den einheimischen Familien“
Die Caritas Jordanien setzt auf Unterbringung in Familien und in leeren Wohnungen. „Wir helfen auch den einheimischen Familien“, sagt Suleiman. „30 Prozent der Hilfe kommt einheimischen Familien zugute. Durch die Hilfe der Caritas werden sie in den Stand gesetzt, Flüchtlinge aufzunehmen.“ Das Geld dafür stammt auch aus Deutschland, etwa vom Auswärtigen Amt. Doch ohne private Spenden geht es nicht.
Elija in der Wüste
Das Boden-Mosaik der griechisch-orthodoxen Kirche in Madaba ist weltberühmt. Es zeigt das alte Palästina, die älteste erhaltene Darstellung des Heiligen Landes, bestehend aus 2,3 Millionen Steinchen. Wenn man die außer Landes wartenden Flüchtlinge und die innerhalb von Syrien geflohenen Menschen zusammenrechnet, wird diese Zahl längst übertroffen. Es ist eine ungeheure Katastrophe.
Die Caritas bietet mehr als Hilfsgüter. Sie führt auch Kurse durch, um Menschen auf die Zeit nach dem Krieg vor zu bereiten. „Unsere Botschaft lautet: Du bist ein Flüchtling und weißt daher, welche Hilfe sie brauchen“, sagt Suleiman. „Du kannst etwas für dein Land tun. Eine neue Zukunft für Syrien bauen. Wir müssen an den Frieden denken.“ Hierzu sind Freiwillige aller Religionen und Weltanschauungen willkommen.