Hoffmann: Waffen schaffen keine Stabilität. Überall dort, wo Waffen verfügbar sind, werden sie über kurz oder lang auch eingesetzt. Und überall dort, wo bewaffnete Konflikte ausgetragen werden, gibt es Tote und Verletzte, müssen Menschen ihr Zuhause verlassen. Eine Bundesregierung, die Waffen exportiert, macht sich mitschuldig an den Opfern dieser Konflikte.
Frage: Die Bundeswehr befindet sich seit Jahren in einem Reformprozess. Pax Christi hat sich frühzeitig gegen zentrale Elemente dieser Reform ausgesprochen. Warum?
Hoffmann: Die Bundeswehrreform steht unter der Philosophie, vom Einsatz her zu denken. Aufgrund welcher Bedrohungslage eigentlich? Unsere Nachbarn sind Freunde. Bisher ist nicht definiert worden, was mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr erreicht werden soll. Um diese Frage zu beantworten, müssen die Einsätze der vergangenen Jahre kritisch evaluiert werden. Was waren die Ziele der Einsätze und sind diese Ziele erreicht worden? Mit Blick auf den Afghanistan-Einsatz muss man in diesem Zusammenhang eine ernüchternde Bilanz ziehen. Aber solche Bilanzen müssen herangezogen werden, um die Frage beantworten zu können, ob Deutschland überhaupt Streitkräfte baucht, die vom Einsatz her gedacht werden. Wie ich bereits gesagt habe: Es muss darüber gesprochen werden, ob es gerechtfertigt ist, Soldaten für Wirtschaftsinteressen und den eigenen Wohlstand einzusetzen. Die weltweiten Flüchtlingsströme und die Klimakatastrophe können jedenfalls nicht durch den Einsatz von Militär bekämpft werden.
Frage: Sie haben den Afghanistan-Einsatz angesprochen, der – zumindest, was die Kampftruppen angeht – im kommenden Jahr zu Ende gehen soll. Warum bewerten Sie die Ergebnisse des Einsatzes so kritisch?
Hoffmann: Ich war im vergangenen Mai in Kabul und habe dort mit vielen Menschen gesprochen. Seitdem bin ich noch ernüchterter über die Lage in Afghanistan, als ich es davor schon war. Afghanistan ist ein bitterarmes Land, das noch über Jahrzehnte unsere Unterstützung brauchen wird. Allerdings müssen wir viel stärker darauf achten, welche Hilfe die Afghanen wirklich benötigen. Die Menschen brauchen Wasser, Arbeitsplätze, ein funktionierendes Gesundheitssystem – Militär und internationale Kampftruppen wollen und brauchen sie dagegen nicht. Ein kompletter Abzug der Bundeswehr steht an.
Frage: Unterstützen Sie angesichts dieser kritischen Bilanz die Forderung der Linkspartei nach einem generellen Verbot von Auslandseinsätzen der Bundeswehr?
Hoffmann: Wie gesagt: Es muss genau geklärt werden, welche Ziele mit den Auslandseinsätzen erreicht werden sollen und ob die dem Willen der Bevölkerung und dem Grundgesetz entsprechen. Mir fehlt der Nachweis, dass die Einsätze dem Frieden gedient und die Gewalt gemindert haben. Zugleich müssen wir uns immer wieder die Frage stellen, ob es zur Erreichung außenpolitischer Ziele nicht bessere Wege gibt, die wir mit zivilen Mitteln erreichen können. Ich erwarte von der Politik, dass sie bei der internationalen Krisenbewältigung künftig deutlich kreativer wird und stärker auf zivile Lösungen setzt.
Frage: Wenn Sie am 22. September drei Forderungen auf ihren Wahlzettel schreiben dürften – wie würden diese lauten?
Hoffmann: Erstens wünsche ich mir ein Gesetz zum Stopp der Rüstungs- und Waffenproduktion und zur Exportkontrolle von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Zweitens hätte ich gerne ein bilaterales Abkommen mit den USA zum Abzug der Atomwaffen und zur Beendigung der nuklearen Teilhabe Deutschlands. Und drittens wünsche ich mir ein Friedensministerium, das den von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen
Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“
aus dem Jahr 2004 endlich mit Leben füllt.
Das Interview führte Steffen Zimmermann.