Lauer Perez: Für die Guerilla ist das natürlich eine sehr wichtige Frage. Ich denke, für die Farc ist es ein wichtiges Anliegen, als politische Kraft erhalten zu bleiben, auch wenn sie dann keinen bewaffneten Kampf mehr führen. So, wie es aussieht, ist die Regierung ja auch bereit, da zuzustimmen, sofern gewisse Vorgaben, wie zum Beispiel die Niederlegung der Waffen und so weiter, erfüllt werden.
Frage: In dem Zusammenhang gab es in der vergangenen Woche eine wichtige Entscheidung vor Gericht: Das kolumbianische Verfassungsgericht hat ein Gesetz bestätigt, das vorsieht, das Haftstrafen für Aufständische ausgesetzt oder verkürzt werden können, wenn diese ihre Waffen niederlegen. Ist das auch ein Impuls für die Verhandlungen?
Lauer Perez: Das wird wahrscheinlich nicht ganz so einfach zu lösen sein. Ich denke, dass das für die Farc noch einmal ein großer Knackpunkt ist. Die Forderung ist natürlich berechtigt. Ich habe gelesen, dass der Führer der Farc gesagt hat: ‚Wir werden die Waffen nicht mehr gebrauchen‘. Er hat nicht gesagt, ‚wir werden die Waffen niederlegen‘. Das sind ja zwei unterschiedliche Dinge. Bei solchen Aussagen muss man also sehr wohl hinhören. Ich denke, an dem Punkt zu einer Entscheidung zu kommen, ist man noch nicht. Das wird sich noch etwas hinziehen.
Frage: Präsident Santos hat aber ja angekündigt, die Verhandlungen noch im Jahr 2013 abschließen zu wollen. Ist das überhaupt möglich?
Lauer Perez: Nein. Das halte ich für gänzlich unmöglich. Santos hat sich da selbst unter Druck gesetzt, das hätte er besser nicht getan: Wird ihm das nicht gelingen, dann wird das heftig an seiner Glaubwürdigkeit kratzen. Es ist ein Mammutprogramm: Von sechs Punkten ist es bisher erst beim ersten in den Grundzügen zu einer Übereinstimmung gekommen. Es ist gänzlich unmöglich, das bis November durchzupeitschen. Wenn es irgendwie doch gelingen sollte, dann wäre das zu nichts gut: Man kann keinen Frieden mit der Brechstange machen.
Frage: In der vergangenen Woche hat Präsident Santos angekündigt, dass er auch mit den Ejército de Liberación Nacional (ELN) verhandeln will. Ist das nicht zu viel, jetzt noch ein anderes Fass aufzumachen?
Lauer Perez: Ja und Nein. Es ist nicht wirklich ein anderes Fass, es ist eine andere Gruppierung, die ähnliche Forderungen, wie die Farc stellt. Und es wäre auch eine Gefahr für den Friedensprozess, wenn Santos sie nicht miteinbeziehen würde. Die ELN hat ja auch eine Kondition erfüllt, die Präsident Santos gestellt hatte: Sie haben eine kanadische Geisel, die seit sieben Monaten in der Gewalt der ELN war, freigelassen – übrigens mit der Unterstützung eines Bischofs. Er war von der ELN gefragt worden, ob er die Geiselübergabe begleiten möchte. Das war auch ein Vertrauensbeweis für die Kirche.
Frage: Wird also die Kirche auch weiterhin eine wichtige Rolle bei diesen Verhandlungen spielen?
Lauer Perez: Das glaube ich ganz bestimmt. Weil die Kirche auch regional in Kolumbien häufig eine Art Mittlerrolle hat. Das heißt, das Bischöfe natürlich mit der Regierung, mit Streitkräften, wie aber auch mit der Guerilla, die dann in der Umgebung ist, im Dialog sind und dafür sorgen, dass die Gewalt da nicht zu groß wird. Ich denke, dass ist auch in dem großen Friedensprozess wichtig, dass die Kirche immer wieder bereitsteht, wenn ein Scheitern der Verhandlungen droht.
Das Interview führte Stefanie Stahlhofen.