P. Stra: Wir konzentrieren uns in unserer Arbeit vor allem auf Streetwork, Schul- und Berufsbildung. In Port-au-Prince unterrichten wir im Werk der sogenannten „Kleinen Schulen“ mindestens 20.000 Kinder in den Elendsvierteln. Für jedes von ihnen gibt es bei uns mindestens eine warme Mahlzeit am Tag. Es ist fast ein Wunder, wie das funktioniert. Darüber hinaus führen wir das Programm „Lakay“ durch, das Straßenkindern Schulunterricht und Berufsbildung ermöglicht.
Frage: Obwohl es Projekte wie „Lakay" gibt, leben in Haiti immer noch zahlreiche Kinder und Jugendliche auf der Straße. Was muss politisch und gesellschaftlich geschehen, damit sich diese Situation ändert?
P. Stra: Wir alleine können das Werk nicht vollenden. Die Gesellschaft muss sich ändern. In Lakay haben nur zwei von hundert Kindern und Jugendlichen Vater und Mutter, die zusammenleben. Viele Mütter müssen ihre Kinder alleine großziehen und für sie sorgen. Um genug für den Lebenserhalt ihrer Familien zu verdienen, arbeiten die Mütter oft von morgens 5:30 Uhr bis abends um 23 Uhr. Währenddessen sind die Kinder auf sich allein gestellt und tummeln sich auf der Straße, oft auch um selbst etwas Geld oder Essen zu erbetteln – oder leider auch zu ergaunern. Diesen Kindern bieten wir mit unseren Einrichtungen eine wichtige Alternative.
Darüber hinaus muss sich politisch etwas ändern: Die Regierungen Haitis haben es seit der Unabhängigkeit vor 200 Jahren nicht geschafft, den Staat so zu entwickeln, dass der nötige institutionelle Rahmen entsteht, den es braucht, um in der Weltwirtschaft konkurrenzfähig zu sein. Gesellschaft und Regierung schauen noch zu sehr auf das kurzfristige eigene Wohl. 70 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos. Jugendliche, die wirklich etwas verändern wollen, werden so schnell desillusioniert. Auch hier steuern wir mit unserer Arbeit gegen und geben der jungen Generation Werte und Orientierung mit auf den Lebensweg, die diese Gesellschaft und das Land verändern können.
Das Interview führte Andrea Burkhardt, Don Bosco Mondo.