Overbeck: Viele Experten sagen uns, es sei gut, dass es jetzt diese Unruhen gab. Weil sie den Finger in die Wunden dieses Landes legen. Die Themen der Proteste – Unrecht, Korruption, Bildung, Gesundheit etc. – werden viele Gespräche prägen, aber der Weltjugendtag wird dadurch nicht gefährlicher. Denn die Menschen in Lateinamerika freuen sich auf ein Fest des Glaubens. Aber das heißt ja nicht, dass das alltägliche Leben draußen vor bleibt. Das Fest wird Glaube und Alltag miteinander verbinden.
Klaschka: Der Weltjugendtag in dieser aktuellen Situation in Brasilien ist sehr speziell. Immerhin hat sogar Papst Franziskus gesagt, dass die Forderungen dieser jungen Menschen dem Evangelium entsprechen. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es einen intensiven Austausch geben wird über diese brennenden Fragen – auch mit den Jugendlichen aus Europa, Asien und Afrika, die ja da ihre eigenen Erfahrungen mitbringen.
Frage: Die Themen beschäftigen ja auch das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Was bedeutet dieser Weltjugendtag für Adveniat?
Klaschka: Wir hoffen auf viele Impulse für unsere eigene Arbeit und freuen uns sehr, dass Papst Franziskus dabei ist. Auch die aktuellen Forderungen der Demonstranten in Brasilien sind für uns Ansporn, auf dem Weg weiter zu gehen, den wir dort mit unseren Partnern eingeschlagen haben. Außerdem wollen wir die Impulse, die von Rio ausgehen werden, danach auch hier in Deutschland weitergeben.
Overbeck: Eine wichtige Veranstaltung für uns ist auch das International Youth Hearing, das wir zusammen mit Misereor und dem BDKJ, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend, veranstalten. Hier sollen gerade die aktuellen Nöte und Anliegen der jungen Leute im Mittelpunkt stehen.
Frage: Es gibt ja auch sehr kritische Stimmen, die den Sinn solcher Mega-Events bezweifeln.
Overbeck: In der Welt, in der wir leben, brauchen wir auch solche Ereignisse, die jedem Einzelnen zeigen: Ich gehöre zu einer so großen weltweiten Gemeinschaft. Das stiftet auch Identität. Und zugleich sehe ich die Chance für viele interessante Begegnungen mit Menschen aus ganz verschiedenen Lebenswelten, die uns alle bereichern können.
Klaschka: Wenn sich mehr als zwei Millionen junge Christen aus aller Welt treffen, kommt es zu einem wichtigen Austausch und zu einem gegenseitigen Prozess des interkulturellen Lernens. Ich verstehe die Anderen besser als bisher – und dann kann ich mich auch besser für mehr Frieden und für eine gerechtere Welt einsetzen.
Von Gottfried Bohl