Wolf: Das wissen die Afrikaner mittlerweile selbst am besten.
Mission
heißt zunächst nichts anderes, als die Verkündung der Frohen Botschaft in Wort und Tat. Ich habe mich allerdings schon seit den 1980er Jahren dafür eingesetzt, dass das, was wir mit unseren klösterlichen Gemeinschaften aufbauen, im Land verwurzelt wird und selbstständig weiterlaufen kann. Und das funktioniert bis heute sehr gut. Was uns zum Beispiel noch wichtig ist, ist ein Umweltbewusstsein zu schaffen. Das sieht man sehr schön, denn überall wo Missionare waren, sind auch Wälder auf den afrikanischen Feldern entstanden.
Frage: Können Sie dennoch verstehen, wenn Landwirte in Afrika eher für den schnellen Profit und weniger im Sinne der Umwelt anbauen?
Wolf: Das kann ich natürlich verstehen. Jemand, der nichts zu essen hat, reißt eben den nächsten Baum aus, das ist doch logisch. Zuerst muss der unmittelbare Hunger beseitigt werden, dann kann man ein Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit schaffen.
Frage: In ihren Büchern bringen Sie den Begriff der Nachhaltigkeit vor allem auch mit einer weltweiten sozialen Gerechtigkeit in Verbindung. Kann so etwas erreicht werden, solange der Süden vom Norden finanziell abhängig ist?
Wolf: Dieses Machtgefälle, das sich über finanzielle Mittel definiert, werden wir vorläufig nicht beseitigen können. Was wir aber brauchen, ist ein Verantwortungsbewusstsein. Das Gegenteil davon sind zum Beispiel die Waffenverkäufe, an denen sich Deutschland zu großen Teilen beteiligt und bereichert. Ich halte das geradezu für einen Skandal, wie sich die Bundesregierung da verhält. Oder aber auch in Sambia, wo China jetzt großflächig Land aufgekauft hat. Ein Bischof von dort hat letztens zu mir gesagt: ‚Mir gehört unser Land dort gar nicht mehr.‘ Die chinesische Regierung hat dort nicht nur den Kupfergürtel aufgekauft, sondern auch noch ganze Landstriche, um für ihr eigenes Volk anbauen zu können. Das Ganze aber auf Kosten der Afrikaner.
Frage: Hat unsere soziale Marktwirtschaft also ausgedient?
Wolf: Dieser Welthandel hat doch längst nichts mehr mit sozialer Marktwirtschaft zu tun. Sozial heißt nicht immer gerecht. Nehmen wir als Beispiel den Sozialismus, der in etlichen Ländern Afrikas die Eigeninitiative untergraben hat.
Frage: Inwiefern?
Wolf: Ein Beispiel: Als Julius Nyerere noch Präsident in Tansania war, habe ich einmal mit einem Lehrer gesprochen, der statt seinen üblichen dreißig Wochenstunden auf einmal nur noch zehn Stunden an der Schule unterrichtet hat. Auf meine Nachfrage, wie es dazu gekommen ist, sagte er nur: ‚Für zehn Stunden kriege ich dasselbe Gehalt wie für dreißig, wieso soll ich also mehr tun?‘ Wenn alle verantwortlich für eine Sache gemacht werden, dann fühlt sich niemand mehr verantwortlich dafür.
Frage: Was wäre eine Alternative?
Wolf: Eine ökosoziale Marktwirtschaft könnte ein Anfang sein. Das bedeutet: Wenn ich etwas besitze, sollte ich nicht nur meine Verantwortung für die Ärmeren, sondern auch für die Umwelt wahrnehmen. Es geht darum, das rechte Maß der Dinge zu finden. Das heißt natürlich auch Verzicht.
Frage: Wie sieht es mit Ihrem eigenen Besitz aus? Was passiert mit den Einkünften, die Sie für Bücher oder Vorträge erhalten?
Wolf: Ich habe überhaupt keinen Eigenbesitz. Alle meine Einkünfte gehen in das Kloster Sant’Anselmo hier in Rom. Wir werden von zentraler Stelle nicht finanziell unterstützt und sind deshalb auf Spenden angewiesen. Ich bin froh, wenn ich da meinen Beitrag leisten kann.
Frage: Fällt das nicht manchmal schwer, das selbst verdiente Geld komplett abzugeben?
Wolf: Nein, überhaupt nicht. Ich brauche nichts und bin glücklich, wenn ich Geld bekomme und das hier in unser Haus und unsere Studenten investieren kann. Ähnlich wie der Vater einer Familie – nur dass ich halt eine Großfamilie am Hals habe (lacht).
Das Interview führte Steffi Seyferth.