Frage: Muss man befürchten, dass sich die derzeitigen Demonstrationen zu einer Massenbewegung ausbreiten, die Brasilien destabilisieren könnten?
Paffhausen: Friedliche Demonstrationen gehören auch in Brasilien zu einer demokratischen Kultur. Ich hoffe, dass gewalttätige Auseinandersetzungen die Ausnahme bleiben und eine friedliche und sachbezogene Diskussion auch über den notwendigen sozialen Fortschritt geführt wird. Eine Destabilisierung schließe ich aus.
Frage: Mit dem Weltjugendtag, der vom 23. bis 28. Juli in Rio stattfindet, steht das erste Großereignis kurz bevor. Wie reagiert die katholische Kirche in Brasilien auf die Demonstrationen?
Paffhausen: Die Kirche ist seit Jahren Fürsprecher der Verlierer des Wirtschaftswachstums. Der Weltjugendtag kann ein Forum werden, um die hier offenbar werdenden Probleme in friedlicher und nachhaltiger Weise zu debattieren – beispielsweise beim
International Youth Hearing
. Auch Papst Franziskus stellt das Thema der Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. Er kennt die Seite der Armen genau. Ich bin sicher, dass er die drängenden sozialen Fragen stellt und diese auch gehört werden.
Frage: Gibt es seitens der Kirche Bedenken, dass sich diese Unruhen negativ auf die Anmeldezahlen für den WJT und das Ereignis an sich auswirken könnten?
Paffhausen: Nein, davon gehe ich nicht aus.
Frage: Ein zentrales Leitmotiv der Kirche in Lateinamerika ist die Option für die Armen. Angesichts der elf Milliarden Euro, die allein für die Fußballweltmeisterschaft ausgegeben werden sollen, rückt diese Option in Brasilien ziemlich in den Hintergrund …
Paffhausen: Die Kirche wird – gerade angesichts solcher Ausgaben – nicht müde, für die Armen einzutreten. Dafür ist der Weltjugendtag ein gutes Beispiel: Die Reise zum WJT nach Brasilien ist die erste Auslandsreise des neuen Papstes. Sie gilt der Jugend der Welt, insbesondere den lateinamerikanischen Jugendlichen. Sie gilt aber auch den Armen und Benachteiligten: Papst Franziskus wird eine Favela besuchen und sich mit straffällig gewordenen Jugendlichen treffen. In diesen Bereichen ist ja auch Adveniat mit seinen Projekten präsent und versucht so, den Benachteiligten eine Stimme zu geben. Zurzeit unterstützen wir jährlich etwa 600 Projekte in Brasilien, die den Armen zu Gute kommen.
Das Interview führte Lena Kretschmann.