Diskriminierung hat zugenommen
Nach Einschätzung der beiden Geistlichen haben Spannungen zwischen Christen und Muslimen in den vergangenen Monaten zugenommen. „Die Regierung will unserer Gemeinschaft keine Rechte einräumen“, kritisiert Aziz Mina. Trotz des wichtigen Beitrags, den die Christen in Ägypten leisteten, würden sie diskriminiert und bedroht.
Problematisch sei, dass viele Ägypter nicht lesen und schreiben könnten; dadurch seien sie leicht manipulierbar. Die Muslimbruderschaft, der Präsident Mohammed Mursi angehört, vermittle der Bevölkerung ein falsches und bedrohliches Bild von Christen, so Aziz Mina. „Unser Anliegen ist deshalb, die wirtschaftliche Lage der Menschen zu verbessern und ihnen Bildung zu ermöglichen.“ Nicht der Islam an sich sei das Problem, sondern „Ignoranz und Armut“.
Staatliche Willkür und Verhaftungen
Laut Schroedel hat bereits vor dem Arabischen Frühling eine Radikalisierung und Islamisierung durch die Muslimbruderschaft stattgefunden. Die Präsidentschaft des Muslimbruders Mursi habe deutlich gemacht, dass der Islam zunehmend eine öffentliche Rolle spiele. Mit der wachsenden Macht der Muslimbrüder habe sich die Situation weiter verschlechtert, so Schroedel. Die Regierung halte ihre Versprechungen nicht ein. Weniger Polizeipräsenz habe zu mehr Kriminalität geführt; staatliche Willkür und Verhaftungen seien an der Tagesordnung. Notwendig sei ein verstärkter Dialog, ein Brückenbauen und Vorleben der Toleranz zwischen Christen und Muslimen, forderte Schroedel.
Trotz einer Verschlechterung der Lage seit der Revolution seien die ägyptischen Christen nicht hoffnungslos. Bischof Aziz Mina setzt vor allem auf die Jugend: Jeder Schüler, der in einer christlichen Schule Abitur mache, verändere das Bild über Christen in Ägypten und habe eine Perspektive für die eigene Zukunft. Besorgniserregend sei jedoch die wachsende wirtschaftliche und politische Unsicherheit. Bereits jetzt wanderten diejenigen aus, die Geld hätten. Den meisten Christen sei dieses jedoch nicht möglich. Ein Auszug aus Ägypten ist das Letzte, was sich Aziz Mina wünscht. Er hofft weiterhin auf eine Veränderung im Land.
Von Barbara Mayrhofer