Sie wohnten in einem Vorort von Damaskus, erleben die Kämpfe und das Morden der Assad-Soldaten. Minya muss als Beifahrerin auf einem Motorrad miterleben, wie vor ihr der Fahrer erschossen wird. Als ihr Haus einen Granaten-Treffer erhält und zerstört wird, fliehen sie. Sie halten zur Freien Armee, gegen den Diktator Assad. Alle in ihrem Stadtviertel sind politisch einer Meinung, sagt Ahmal. Und dann bricht es aus ihm heraus: „Warum greifen die westlichen Staaten nicht ein?“, fragt er uns. „Wir wollen keine Spenden, wir wollen kein Essen, wir wollen zurück nach Syrien.“ Zurückgehen werden sie, „wenn Assad verschwindet“, sagt Ahmal.
Wenige Kilometer weiter wohnen vierzig Frauen mit Kindern in einer Bauruine, die einmal eine Schule hätte werden sollen. Ihre Männer sind in Syrien geblieben, im Gefängnis oder verschwunden, manche kämpfen vielleicht, andere sind tot. Es gibt in diesem Rohbau keinen Strom, kein Wasser, keine Fenster oder Türen, keinen Fußboden. Eine Mutter zeigt mir einen kahlen, zugigen Raum, die Fensterhöhlen mit Brettern zugestellt. Hier lebt sie mit sieben Kindern. Dann führt sie mich in einen anderen Raum, es ist kalt, klamm und dunkel. Und dort an der Wand liegt wie ein sterbendes Tier ein alter Mann. Er röchelt schwer, sieht fiebrig aus und kann nur pfeifend mit großer Anstrengung Luft holen. Er stamme aus Homs, erklärt sie mir. Vor drei Tagen hat er per SMS erfahren, dass sein Sohn getötet wurde.
Inzwischen sind nach Zählung des UNHCR, des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen, rund eine Million Menschen aus Syrien geflohen. Männer zwischen 17 und 50 Jahren werden nicht über die Grenze gelassen, 80 Prozent der Flüchtlinge sind Frauen und Kinder. Nach zwei Jahren Krieg kommen sie oft vollkommen mittellos in den Zentren an. Ihre Situation verschlechtert sich zunehmend, weil auch die aufnehmenden Länder zunehmend überfordert sind. Die zugesagte internationale Hilfe ist bislang nur zu einem kleinen Teil ausgezahlt worden.
Von Markus Lahrmann