Neuer Präsident mit belasteter Vergangenheit
Nach fünf langen Tagen der Auszählung stand das Ergebnis fest: Der umstrittene Kandidat Uhuru Kenyatta hat die Präsidentschafts- wahl in Kenia mit absoluter Mehrheit gewonnen. Uwe Bergmeier, Koordinator des Zivilen Friedensdienstes der AGEH, war als Wahlbeobachter vor Ort. Er berichtet vom Verlauf der Wahlen und den Herausforderungen, denen sich der neue Präsident stellen muss:
Aktualisiert: 11.07.2015
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Nach fünf langen Tagen der Auszählung stand das Ergebnis fest: Der umstrittene Kandidat Uhuru Kenyatta hat die Präsidentschaftswahl in Kenia mit absoluter Mehrheit gewonnen. Uwe Bergmeier, Koordinator des Zivilen Friedensdienstes der AGEH, war als Wahlbeobachter vor Ort. Er berichtet vom Verlauf der Wahlen und den Herausforderungen, denen sich der neue Präsident stellen muss:
Das Mitglied der katholischen Kommission Gerechtigkeit und Frieden (CJPC) aus Ngong, Daudi Sipoi, bringt es auf den Punkt: „Das Problem bei den Wahlen in Kenia war nie die Beteiligung der Kenianer während des Wahlganges. Das Problem war immer die Auszählung und Glaubwürdigkeit des Endergebnisses.“
Sipoi bildete am Wahltag zusammen mit Vertretern des Zivilen Friedensdiensts der AGEH ein CJPC-Monitoringteam, das in der Südriftregion Kiserian/Magadi unterwegs war. Wie schon Sipoi angenommen hatte, verlief der eigentliche Wahlvorgang trotz überwältigender Beteiligung friedlich und transparent. Die Wahl war einigermaßen gut von der Unabhängigen Wahlkommission (IEBC) organisiert.
Fünf lange Tage bis zum Wahlergebnis
Kurzum – die gesamte Auszählung musste auf manuelle Durchführung umgestellt werden. Diese dauerte ganze fünf Tage und Nächte. Währenddessen wurde die kenianische Bevölkerung von allen politischen Verantwortlichen zu Geduld und aufmerksamer Beobachtung angehalten. Das Wahlergebnis dieser komplizierten Wahl mit sechs verschiedenen Wahlgängen an einem Tag wurde fünf Tage nach Schließung der Wahllokale in Nairobi endlich verkündet. Alle Prognosen sagten ein Kopf-an-Kopf-Rennen der zwei großen politischen Protagonisten Raila Odinga (Orange Bewegung /ODM) und Uhuru Kenyatta (Nationale Allianz/TNA) hervor.
Kenyatta erhielt absolute Mehrheit
Der Sieger war am Ende Kenyatta mit einem Stimmenvorsprung von 832,887 Stimmen. Bei einer sehr hohen Wahlbeteiligung von über 80 Prozent und einer Gesamtzahl von 12.221.053 Stimmen ein klares Ergebnis. Kenyatta und seine Jubilee Koalition mit dem Kalenjin Führer William Ruto erreichten die benötigte absolute Mehrheit (50 Prozent + 1 Stimme) und 25 Prozent in der Hälfte aller neu geschaffenen Bezirke (Counties). Eine von vielen Prognosen vorhergesagte Stichwahl war nicht mehr nötig. Derzeit versucht sein Kontrahent Odinga rechtlich gegen vermutete Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung vorzugehen. Auch dies ist ein deutlicher Hinweis auf das Vertrauen in ein reformiertes demokratisches Justizsystem und den Obersten Richter, die bereits eine Überprüfung zugesagt haben. Das Ergebnis wird mit Spannung gerade in den ODM Hochburgen erwartet.
Wahlen blieben friedlich
Entgegen vieler Einschätzungen, die vor und nach der Wahl massive Gewaltausbrüche vermuteten, blieben die Wahlen diesmal weitestgehend friedlich. Lediglich die politisch separatistische Bewegung Mombasa Republican Council (MRC) in Mombasa nutzte die Wahl zu gewalttätigen Provokation, bei der am Wahltag 14 Menschen ums Leben kamen.
Uhuru Kenyatta hat 2012 zwei strategisch wichtige Entscheidungen getroffen, die ihm den Sieg ermöglichten: 1. Die Loslösung von der KANU Partei im April 2012, die historisch mit der Moi Ära belastetet ist, und die Gründung der Partei der Nationalen Allianz (TNA). 2. Die Koalitionsbildung Anfang Dezember 2012 mit William Ruto und seiner URP, der mit den Kalenjin die zweitgrößte ethnische Gruppe nach den Kikuyu repräsentiert. Zudem entschied die starke Mobilisierung der Stammwählerschaft von TNA und URP kurz vor der Wahl den Zweikampf auf den Stimmzetteln.
Vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt
Diese beiden gewählten Führer stehen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Anklage des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC). Das spielte im laufenden Wahlkampf keine große Rolle. Im Gegenteil konnte diese sogenannte „ICC Koalition“ patriotisch damit punkten, dass man sich einen internationalen juristischen Eingriff in die inneren Angelegenheiten Kenias verbitte. Kenia hat mit dieser Wahl einen Generationenwechsel in der politischen Führerschaft vollzogen. Viele der altgedienten Politiker sind nicht mehr gewählt worden oder erst gar nicht angetreten.
„Regierungsverantwortung kann in Kenia nur über die ethnischen Grenzen hinweg erfolgreich funktionieren.“
Jetzt nach dem Wahlkampftrubel ist das Land wieder mit der eigenen Geschichte konfrontiert, vor allem mit dem Umgang mit den Verbrechen nach der Wahl 2007/2008, die bisher kaum aufgearbeitet wurden. Der zukünftige Präsident muss sich damit auseinandersetzen, international strafrechtlich dafür zur Verantwortung gezogen zu werden und gleichzeitig den für Kenia extrem wichtigen Reformprozess voranzubringen. Eine schwierige Aufgabe. „Regierungsverantwortung“, so sagt Sipoi, „kann in Kenia nur über die ethnischen Grenzen hinweg erfolgreich funktionieren. Dies muss dem Präsidenten mit so engen Mehrheitsverhältnissen und der ICC-Anklage im Nacken sofort gelingen, sonst bleibt es nicht friedlich im Land.“
Von Uwe Bergmeier, ZFD-Koordinator der AGEH in Kenia