Offenbar kommt es bei der Darstellung der Chancen und Probleme einer Großstadt entscheidend auf die Herangehensweise an, und damit auf die persönlichen Vorerfahrungen. Sehe ich z. B. in Mexiko-Stadt, die zu den fünftgrößten der Welt gehört und größer ist als manches europäische Land, ein modernes Babel, das an den Rändern immer weiter wächst und unregierbar wird, in dem außer dem Marktwert alles relativ wird und in der die katholische Kirche ihre Deutungshoheit schon lange verloren hat – oder sehe ich in Großstädten das kulturelle Leben pulsieren, die Lokalpolitiker und Stadtplaner zu Genies heranwachsen und sich die pfingstliche Vielfalt des christlichen Glaubens entfalten?
Zeugen und Missionare Christi
In Aparecida, der großen lateinamerikanischen Bischofsversammlung im Jahr 2007, wurde angesichts der komplexen Wirklichkeit in den modernen Großstädten die persönliche Sendung aller Christen hervorgehoben: „Wir sind Zeugen und Missionare in den Großstädten und auf dem Lande, auf den Bergen und in den Wäldern unseres Amerika, in allen gesellschaftlichen Milieus, auf den unterschiedlichsten ‚Areopagen‘ des öffentlichen Lebens der Nationen, in den äußersten Notlagen des Daseins, und wir übernehmen Verantwortung für die weltweite Sendung der Kirche ad gentes“ (Nr. 548, vgl. dort auch Nr. 509 ff.). Das klingt positiv, aber überfordert es nicht die einzelnen Christen? Wie hilft ihnen die Kirche, ihre Sendung anzunehmen? Mit Lamentieren über einen vermeintlichen Werteverfall ist es jedenfalls nicht getan. Das sieht mein Taxifahrer auch so. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.
Von Hartmut Köß