Chávez vor großen Herausforderungen
Chávez selbst hat die Messlatte für seine neue Amtszeit hoch gelegt. Die Armut und die Arbeitslosigkeit wolle er bis 2019 komplett ausradieren, hatte er versprochen. „Es lebe Christus, es lebe die Revolution und es lebe Venezuela“, jubelte Chávez vom Balkon des Präsidentenpalasts, nachdem er minutenlang siegestrunken mit seinen Anhängern patriotische Lieder gesungen hatte.
Der Erfolg verschafft Chávez die dringend benötigte Zeit, lange aufgeschobene Reformen einzuleiten und einen Nachfolger aufzubauen. Der 58-Jährige, gerade von einer Krebserkrankung genesen, wirkte im Wahlkampf längst nicht mehr so energiegeladen wie in den Jahren zuvor. Seine Gesundheit wird auch in den kommenden sechs Jahren ein intensiv diskutiertes Thema sein.
Die Aufgaben, die auf ihn warten, sind immens: Chávez muss die marode Ölindustrie modernisieren. Venezuela verfügt über riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen, die aber nur mit großem Aufwand und internationalem Know-How zu fördern sind. Fachkräfte aus anderen Ländern scheuen aber wegen der hohen Kriminalitätsrate ein Engagement in dem südamerikanischen Land. Länderreferent Wilhelm weiß: „Morde und Entführungen sind an der Tagesordnung“. Man gebe in Venezuela inzwischen mehr für die Sicherheit aus als für Lebensmittel und Kultur.
Das Wahlergebnis unterstreicht einmal mehr die tiefe Spaltung der venezolanischen Gesellschaft: „Nur 54 Prozent der Menschen haben Chávez gewählt“, betont Reiner Wilhelm. Der restliche Teil der Wählerschaft sei gegen Chávez . Die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft sei eine große Herausforderung für den Präsidenten, erklärt der Venezuela-Experte.
Immerhin gingen beide Seiten nach dem Wahlabend aufeinander zu. Capriles erkannte den Wahlsieg des Amtsinhabers an, Chávez würdigte dies als wichtigen Schritt „zu Frieden im Land.“ Ob es allerdings tatsächlich zu einem Dialog kommt, wie Chávez verlangt, steht auf einem anderen Blatt. Im Wahlkampf war der Präsident einer direkten Debatte mit Capriles noch aus dem Weg gegangen.
Venezuelas Opposition ist durch den Wahlkampf gestärkt, doch welche Belastung das Mehrparteienbündnis aushält, muss sich erst in der Realität zeigen. Capriles hat eine gewaltige Propaganda-Maschine der Regierung gegen sich. Dies über sechs Jahre hinweg durchzustehen, erfordert Ausdauer und Durchsetzungsvermögen. (KNA/Domradio/Kretschmann)
Das vollständige Interview mit Reiner Wilhelm (Adveniat Länderreferent Venezuela) finden Sie bei
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