Kirche ruft zur Ruhe auf
Die katholische Kirche versucht, die aufgeheizten Gemüter zu beruhigen. Die Venezolanische Bischofskonferenz rief die rund 19 Millionen Wahlberechtigten auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und sich auch nicht von ungehörigen Drohungen einschüchtern zu lassen: „Nur Gott wird wissen, wem wir unsere Stimme geben“, so der Hauptstadt-Erzbischof Kardinal Jorge Urosa Savino. Die Wahl sei frei – „und ein Recht, das wir mit Mut und im Einklang mit unserer Überzeugung ausüben müssen“, so der Erzbischof von Caracas. Er forderte die staatliche Wahlbehörde am Donnerstag (Ortszeit) auf, das Ergebnis so schnell wie möglich nach dem Urnengang zu veröffentlichen. „Eine schnelle Bekanntgabe des Resultats trägt zu einem Klima der Beruhigung bei“, erklärte Urosa.
Auch der Bischofskonferenz-Vorsitzende, Erzbischof Diego Padron von Cumana, erinnerte die Kandidaten an ihre eigentliche Aufgabe: Die Politik müsse „die Ideologien hinter sich lassen und sich auf das Wohl des Landes konzentrieren“. Zumindest bis zum Sonntag wird das ein frommer Wunsch bleiben.
Chavez oder Capriles
Die beiden Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein: Chávez (58), von einer Krebserkrankung nach eigenen Angaben vollständig genesen, gibt sich angriffslustig, aggressiv und bisweilen drohend. So liebt ihn seine sozialistische Basis. Capriles (40) versucht sich in der Rolle dessen, der das tief gespaltene Land zu versöhnen versucht. Mit moderaten Reformankündigungen will er jenen Venezolanern die Angst nehmen, die einen radikalen Umbruch befürchten.
Das Kalkül des jungen, allerdings auch unerfahrenen Gouverneurs von Miranda ist klar: Ihm sollen wechselwillige Chávez-Anhänger, die enttäuscht sind von Korruption, Gewalt und wirtschaftlichem Stillstand, ihre Stimme geben. Capriles hat einen wahren Wahlkampfmarathon hingelegt. Weil die staatlichen Medien ganz auf Chávez-Kurs eingestimmt sind, wählte der Oppositionskandidat die Ochsentour: Mehr als 250 Dörfer und Städte besuchte Capriles – und wird für seinen unermüdlichen Einsatz mit hohen Umfragewerten belohnt.