Mehr als 2.800 Moscheen stehen in Deutschland, oft kaum als solche erkennbar, in Wohn- oder Lagerhäusern gelegen. Doch schon beinahe jede zehnte trägt ein klassisch-islamisches Antlitz, häufig in osmanischer Bauweise mit Kuppel und einem oder mehreren – in der Regel gestutzten – Minaretten. Seit die Bauwelle in den 1990er Jahren begann, erzeugen die repräsentativen Gotteshäuser wie die Religion, für die sie stehen, bei vielen Ängste und Widerstand. Daran konnte der Tag der offenen Moschee als „Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit“ offenbar nur wenig ändern. Umfragen zeigen: Über die Hälfte der Deutschen empfindet Vorbehalte oder gar Abneigung gegen den Islam. „Wir befinden uns in einem sehr langsamen Prozess hin zu einem echten Miteinander“, so Kizilkaya. Ob man es erreichen wird, will er lieber offenlassen.
Diesjähriges Motto: Islamische Kunst und Kultur
Moscheen als Brücken zwischen den Kulturen, der Koran als ewig gültiges Buch und Mohammed als barmherziger Prophet waren Mottos der vergangenen Tage der offenen Moschee. In diesem Jahr geht es um „Islamische Kunst und Kultur“. Ihr Reichtum sei den wenigsten Nichtmuslimen bekannt, sagt der KRM-Sprecher. Vorträge über arabische Literatur und Wissenschaft, türkische und arabische Musikvorführungen und Ausstellungen zu islamischer Kalligraphie und Ornamentik stehen bundesweit auf dem Programm. Dabei geht es den Veranstaltern um mehr als unpolitische Folklore.
Die Fülle und Lebensbejahung islamischer Kultur soll das Klischee vom strengen, weltabgewandten Islam widerlegen. Gleichzeitig betonen die Veranstalter, dass der Koran und das Leben des Propheten Mohammed die Inspirationsquellen der islamischen Kunst und Wissenschaft sind. Wer nur Tausendundeine Nacht sucht, wird also nicht viel verstehen, denn ohne ein bisschen theologisches Interesse bleibt einem die „Welt des Orients“ verschlossen. Diskussionen über die Freiheit der Kunst seien aber willkommen, verspricht Ali Kizilkaya.
Die Gemeinden erwarten auch in diesem Jahr wieder rund 100.000 Besucher. Bei Führungen erklären sie die Grundlagen des Islam und die Funktion der einzelnen Moscheeelemente. Das ehrfürchtige Flüstern, wie man es aus Kirchen kennt, wird die Akustik dabei nicht erschweren: Moscheen sind keine sakralen Dunkelkammern, sondern waren immer auch Treffpunkte des sozialen Lebens, von dem Gebet und Gottesdienst nur ein Teil sind. „Unsere Gäste sollten nur geziemende Kleidung tragen und die Betenden nicht stören“, bitte Kizilkaya. „Ansonsten brauchen sie nichts zu beachten.“
Von Christoph Schmidt