Frage: Was lässt sich gegen diese moderne Landnahme machen?
P. Schonecke: Es ist ein Kampf wie David gegen Goliath. Die Politik scheint vor der Übermacht des Marktes kapituliert zu haben. Die Hoffnung liegt auf der Zivilgesellschaft. Die Politik reagiert nur auf Druck von unten. Es gilt also, die Bevölkerung in den betroffenen Ländern zu informieren und zu mobilisieren. Die Kirche kann da einen großen Beitrag leisten. 2009 haben wir mit Misereor, FIAN und Caritas beim Weltsozialforum im Senegal einen internationalen Workshop veranstaltet, um Erfahrungen im Widerstand gegen Landgrabbing auszutauschen. Seit Mai dieses Jahres gibt es ein wichtiges völkerrechtliches Instrument in Form der sogenannten „Freiwilligen Leitlinien zur verantwortungsvollen Regelung des Besitzes von Land“ der Welternährungsorganisation. Darin sind auf die Menschenrechte basierte Standards für Landübernahmen formuliert, die man von den Regierungen einfordern kann. Auch die Kirche könnte hier viel tun, die Durchsetzung dieser Leitlinien einzufordern.
... was ganz auf der Linie der kirchlichen Soziallehre liegen würde.
P. Schonecke: Genau. Der Papst betont immer wieder, dass die Krise unserer Zeit eine ethische und eine anthropologische ist, die nicht mit rein technischen Mitteln zu lösen ist. Sie fordert ein Umdenken, eine andere Sicht des Menschen und der Schöpfung, auch eine andere Vision von Land. Im traditionellen Afrika ist Land keine kommerzielle, käufliche Ware. Sie ist Ort der Ahnen, von ihnen ererbt für kommende Generationen. Sie stiftet Identität für den Einzelnen und die Gemeinschaft. Die Bibel hat eine ähnliche Sicht auf das Land. „Land gehört mir“, sagt Gott. Es gehört zu den globalen Gemeingütern, würden wir heute sagen. Wir wissen, dass die fortschreitende Kommerzialisierung aller Lebensbereiche den Einzelnen und die Gesellschaft zerstört. Wir brauchen eine andere Vision der Dinge. Die christliche Soziallehre könnte da einen großen Beitrag leisten. Kirche muss sich mehr in die spannende Diskussion über die notwendigen „Transformationsprozesse“ einbringen.
Frage: Und was kann der Einzelne beitragen?
P. Schonecke: Es gibt kaum ein aktuelleres Wort Jesu, als sein Erstes: „Kehrt um!“, was auch übersetzt werden kann mit: „Denkt um, denkt jenseits (der existierenden Werteordnung)!“. Ein Blick auf die Themenseite von weltkirche.katholisch.de könnte ein Anfang sein. Seinen Lebensstil und das persönliche Kaufverhalten am „ökologischen Fußabdruck“ zu messen, wäre ein zweiter. Wenn möglich, kann man sich in einer der vielen Gruppen engagieren, die in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft aktiv sind. Wir sollten alle mehr nachdenken, wie eine gerechtere Welt und eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise aussehen könnte. Das ist anspruchsvoll, aber eröffnet neue Sichtweisen, auch auf die Art und Weise, wie wir mit der lebensnotwendigen Ressource Land umgehen.
Vielen Dank für das Interview, Pater Schonecke.
www.netzwerkafrika.de