Bulgariens neuer Patriarch gewählt
Sofia ‐ Die bulgarisch-orthodoxe Kirche hat nach dem Tod von Patriarch Neofit ihr neues Oberhaupt bestimmt: den bisherigen Metropoliten von Widin, Daniil. Als Favorit galt eigentlich ein anderer Kandidat.
Aktualisiert: 02.07.2024
Lesedauer:
Bulgariens orthodoxe Kirche hat den bisherigen Metropoliten Daniil aus der Donaustadt Widin zu ihrem neuen Patriarchen gewählt. Für den 52-Jährigen stimmten am Sonntag in einer Stichwahl 69 Geistliche und Laien, die in der Hauptstadt Sofia zu einem Landeskonzil zusammengekommen waren. Gegenkandidat Metropolit Grigorij (53) aus Wraza erhielt nach offiziellen Angaben 66 Stimmen. Drei Stimmzettel waren demnach ungültig.
Im ersten Wahlgang hatte keiner der nominierten Anwärter die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen. In die zweite Runde zogen die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen ein. In ihr genügte die einfache Mehrheit. Die Wahl wurde notwendig, weil Patriarch Neofit am 13. März im Alter von 78 Jahren gestorben war. Er hatte die Kirche seit 2013 geleitet.
Daniils Kür zum Kirchenoberhaupt auf Lebenszeit gilt als Überraschung. Dem vom Heiligen Synod im März zum kommissarischen Vorsteher ernannten Metropoliten Grigorij waren bessere Chancen zugeschrieben worden. Der Berliner Metropolit von West- und Mitteleuropa, Antonij, nannte Daniil nach der Wahl einen „würdigen Patriarchen“. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte er in Sofia: „Im Gebet wünschen wir ihm ein langjähriges Dienen als Patriarch sowie Gesundheit und Stärke in der Führung unserer Kirche.“ Manche Kritiker werfen dem neuen Kirchenoberhaupt indes eine Nähe zum orthodoxen Patriarchat von Moskau vor.
Kloster statt Anglistik
Der neue Patriarch Daniil wurde am 2. März 1972 mit dem bürgerlichen Namen Atanas Nikolow geboren. Er begann 1996 in Sofia, Anglistik zu studieren, entschied sich im Jahr darauf jedoch für ein Theologiestudium und trat ins Kloster ein. Seit 2008 ist er Bischof. Ab 2010 sammelte er als Vikar des Metropoliten der Vereinigten Staaten von Amerika, Kanadas und Australiens viel Auslandserfahrung, bis er 2018 zum Metropoliten von Widin im Nordwesten Bulgariens gewählt wurde.
Das Leitungsgremium der Kirche, der Heilige Synod, hatte vor zehn Tagen drei Metropoliten als Kandidaten für die Patriarchenwahl vorgeschlagen, wie es das Kirchenstatut vorschreibt. Dem Landeskonzil gehören alle Bischöfe sowie von den Diözesen entsandte Geistliche und Laien an. Auch Vertreter der Klöster, Priesterseminare und theologischen Fakultäten nahmen an der Patriarchenwahl teil.
Der neue Patriarch wird noch am Sonntagnachmittag in der Kathedrale in Sofia inthronisiert. An der feierlichen Zeremonie wollen auch das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Kirchen, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, und der Ökumene-Verantwortliche des Vatikans, Kardinal Kurt Koch, teilnehmen.
Neofit hatte als Oberhaupt der bulgarisch-orthodoxen Kirche zur Heilung der Verletzungen beigetragen, die aus der Spaltung der Kirche in den 1990er Jahren herrührten. Damals gab es einen Gegenpatriarchen. Die großen Trauerfeierlichkeiten für Neofit zeigten seine Beliebtheit in der Bevölkerung.
Etwa zwei Drittel der 6,4 Millionen Bulgarinnen und Bulgaren bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Nur knapp 39.000 Menschen gaben 2021 bei der Volkszählung freiwillig an, katholisch zu sein. Fast 639.000 gaben den Islam als Religion an.
KNA