Aufgebahrter Leichnam des emeritierten Papstes Benedikt XVI., in dessen Händen ein Rosenkranz liegt, am 2. Januar 2023 im Petersdom im Vatikan.
Reaktionen von Kardinälen und Vorsitzenden der Bischofskonferenzen

Trauer in der Weltkirche um Benedikt XVI.

Vatikanstadt ‐ Weltweit wird des emeritierten Papstes Benedikt XVI. gedacht, der am 31.12.2022 im Alter von 95 Jahren verstorben ist. Ein Überblick.

Erstellt: 03.01.2023
Aktualisiert: 05.01.2023
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Der Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. am Silvestertag hat in der katholischen Kirche weltweit Trauer ausgelöst. Auf allen Kontinenten würdigten Kardinäle und Vorsitzende der Bischofskonferenzen das frühere Kirchenoberhaupt. Hervorgehoben wurde die Rolle von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. als Theologe und die Weltkirche prägende Gestalt.

Als gewichtige europäische Stimme würdigte Kardinal Jean-Claude Hollerich den Verstorbenen. „Sein Pontifikat wird in der Kirchengeschichte Wert behalten. Vor allem, was er über Ratio und Glaube gesagt hat: dass sich die beiden nicht ausschließen, sondern zusammengehen müssen“, sagte der Erzbischof von Luxemburg und Präsident der EU-Bischofskommission COMECE. Benedikt habe einen wichtigen Impuls gegeben für Europas „kleiner werdende Kirche“, die sich nicht wie eine Sekte verhalten dürfe, sondern „Einheit von Vernunft und Glaube“ bewahren müsse.

„Benedikt XVI. liebte die Einheit der Kirche und das Konzil, zu dessen Umsetzung er so viel beigetragen hat“, erklärte der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Matteo Zuppi. Der Erzbischof von Bologna dankte für Benedikts „Klarheit des Glaubens, die persönliche Aufrichtigkeit und Aufmerksamkeit“, sowie für seine „Einfachheit, mit der er stets lebte und mit der er die Tiefen des Geheimnisses Gottes vermittelte“.

Als bleibend große Kirchengestalt wurde Papst Benedikt in den slawischen Staaten beschrieben. Polens Bischofskonferenz-Vorsitzender Kardinal Stanislaw Gadecki erklärte, Benedikt zähle zu den bedeutendsten Nachfolgern des heiligen Petrus: „ein Mann tiefen Glaubens“ und langjähriger Mitarbeiter von Papst Johannes Paul II. Der slowenische Bischofskonferenz-Vorsitzende Andrej Saje dankte dem Verstorbenen „für seine Rolle als Lehrer und Hirte, die er in hervorragender Weise ausgeübt hat, und für die väterliche Zuneigung, mit der er über die katholische Kirche in Slowenien gewacht hat“. Der emeritierte slowenische Kurienkardinal Franc Rode (88) nannte Benedikt „einen der größten Päpste“ und „eine der reinsten Priester-, Bischofs- und Papstgestalten“.

Kardinal Erdö: Benedikt war ein „wahren Europäer“

Ungarns Bischofskonferenz erklärte, Joseph Ratzingers ganzes Leben sei „Zeugnis seines unerschütterlichen persönlichen Glaubens“ gewesen. Benedikts Wissen und Weisheit hätten „ganze Generationen geleitet“. Kardinal Peter Erdö nannte Benedikt einen „wahren Europäer“ und „Mann des Dialogs“. Der Erzbischof von Esztergom weiter: „Der größte katholische Theologe unserer Zeit ist von uns gegangen. Er hat die Zeichen der Zeit gespürt und verstanden.“

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz von England und Wales, Kardinal Vincent Nichols, erinnerte an Benedikts England-Besuch 2010, bei dem der damalige Papst seine Wertschätzung für die Demokratie bekundet und zugleich betont habe, „dass die Demokratie in klaren und festen moralischen Prinzipien verwurzelt sein“ müsse. Dass Benedikt vom öffentlichen Großbritannien damals derart groß empfangen wurde, hätte er sich nie träumen lassen, so Nichols.

In Spanien hob Kardinal Juan Jose Omella Benedikts Verbundenheit mit der Ortskirche hervor, die der damalige Papst dreimal besucht habe. Inmitten eines Gewittersturms habe er beim Weltjugendtag 2011 in Madrid eine Million Jugendliche ermutigt, „die Prüfungen des Lebens mit Christus zu bestehen“. Eine „Stimme in der Wüste der Diktatur des Relativismus“ nannte der Bischof von Orihuela-Alicante, José Ignacio Munilla, den Verstorbenen. Seit seiner Emeritierung habe er die Kirche im Stillen durch sein Gebet weiterhin getragen. Lob für den „offenen Dialog mit der säkularisierten Kultur“ gab es vom Bischof von Cadiz-Ceuta, Rafael Zornoza.

Früherer Misereor-Chef Sayer: Ratzinger half der Befreiungstheologie

Der Pastoraltheologe Josef Sayer (81) sieht den verstorbenen Papst Benedikt XVI. nicht, wie oft behauptet, als Gegner der lateinamerikanischen Befreiungstheologie. Nicht der einstige Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation Joseph Ratzinger sei deren eigentliche Widersacher gewesen, sondern die in Südamerika einflussreiche katholische Organisation Opus Dei und die USA, insbesondere unter deren Präsidenten Ronald Reagan, sagte der frühere Leiter des Bischöflichen Hilfswerks Misereor im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA, Montag). „Und diese Kreise intervenierten in Rom, weil sie keine sozialpolitischen Veränderungen ihrer privilegierten Stellungen und ihres Systems akzeptieren wollten.“

Bei Übergabe eines Briefes des Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez 1984 in Rom habe er Ratzinger „sehr aufgeschlossen und interessiert erlebt und keineswegs als den sturen Hardliner“, so Sayer. Gutierrez selbst habe den damaligen Glaubenspräfekten nach einem gemeinsamen Kolloquium zur Befreiungstheologie gegenüber Sayer als verständnisvoll und offen gelobt. „Keine Rede von einem hartgesottenen Gegner der Befreiungstheologie, wie er zuweilen dargestellt wird.“

Sayer hob auch eine Peru-Reise Ratzingers im Jahr 1986 hervor, bei der er sich über die sozialen und kirchlichen Verhältnisse vor Ort informiert habe. „Ratzinger hat sehr intensiv nachgefragt und war sichtlich erschüttert, welch anti-evangelische Muster in der Kirche herrschten, gegen die sich ja die von der Befreiungstheologie angestrebten Reformen wandten.“ Als Papst Benedikt XVI. schließlich habe er bei der Generalkonferenz des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM in Aparecida 2007 die zentrale Forderung einer „Option für die Armen“ als grundlegendes Element der christlichen Lehre betont. „Dieser Satz schlug ein wie ein Blitz! Damit war der jahrelange ideologische Streit beendet und die Gegner der Befreiungstheologie mussten das Feld räumen.“

Mexikos Bischöfe: Großes Erbe

Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Timothy P. Broglio, nannte den Papst aus Deutschland einen „hervorragenden Theologen“ und „wirksamen Lehrer des Glaubens“. Seine Stimme habe „zur Vertiefung eines authentischen Verständnisses und zu einer tieferen Liebe zur Wahrheit und zum Geheimnis Gottes“ beigetragen. Den Rücktritt 2013 wertete Broglio als Fortsetzung von Benedikts „Lehre über Mut, Demut und Liebe zur Kirche“.

Auch Mexikos Bischöfe würdigten Benedikt XVI. als „treuen Diener, der ein großes Erbe hinterlassen hat“. Diesen Dienst habe er „vor allem in den letzten Jahren geleistet, die unter der demütigen Präsenz des kontemplativen Gebets des Mysteriums Papst Franziskus die Kraft gegeben haben, das apostolische Werk an der Spitze der Sendung der Kirche fortzusetzen“. Seine „Fülle von geistlichen und theologischen Überlegungen“ müsse immer wieder aufgegriffen werden, als Beitrag zum Frieden angesichts zahlreicher Prüfungen der Gegenwart.

In Brasilien nannte Kardinal Odilo Scherer den Verstorbenen einen „einfachen, bescheidenen, sensiblen und sogar schüchternen Menschen, sehr aufmerksam und raffiniert im Umgang mit anderen“. Benedikt sei ein Intellektueller und Theologe von großer Tiefe gewesen, „seine Schriften und Predigten werden sicherlich ein Bezugspunkt für die Kirche in der Zukunft sein“. Ähnlich äußerte sich der emeritierte deutsch-brasilianische Bischof Zeno Hastenteufel. Ratzingers ganzes Wirken sei zum Vermächtnis für die Kirche geworden, und „er muss nicht am Leben sein, damit diese Lehre aufrechterhalten wird“.

Erzbischof Brislin: Benedikt XVI. war „kein Afropessimist“

Dass Benedikt Afrikas Kirche „neue Triebkraft“ gegeben habe durch die zweite Sondersynode für Afrika im Jahr 2009, betonte der kongolesische Kardinal Fridolin Ambongo. Der Verstorbene habe den Kontinent „mit Leidenschaft, Überzeugung und Großmut getragen“ und Afrika für alle spürbar auf „ganz besondere Weise“ behandelt, so der Erzbischof von Kinshasa in einer Erklärung des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM). „Er hat Afrika dazu angehalten, an sich selbst zu glauben und sich in Würde zu erheben“, so der Kardinal.

Für die Südafrikanische Bischofskonferenz betonte Sprecher Phiti Makgabo, Benedikt sei „für uns immer ein Vater gewesen“. Der Papst aus Deutschland habe seinen Standpunkt stets klar vertreten, dabei kein Blatt vor den Mund genommen, die Kirche in die richtige Richtung geführt und damit „eine Grundlage für die Amtszeit von Franziskus geschaffen“. Der Kapstädter Erzbischof Stephen Brislin befand, Benedikt XVI. sei „kein Afropessimist“ gewesen, sondern überzeugt gewesen, „dass es sich bei der afrikanischen Kirche um eine lebendige und junge Kirche handelt, und hegte große Hoffnung für die Zukunft“.

Der indische Kardinal Oswald Gracias bezeichnete Benedikt als „große Unterstützung für die Kirchen Asiens und für Indien im Besonderen“. Wesentliche Gedanken von Johannes Paul II. über die Kirche und deren Hingabe, Evangelisierung und Ökumene seien von ihm vollendet worden. Erzbischof Felix Machado, Sekretär der Indischen Bischofskonferenz und 15 Jahre lang im Vatikan im Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog, betonte, Benedikt habe auch bei seiner viel kritisierten Regensburger Rede 2006 „keine Religion beschuldigt“, sondern vielmehr „immer den Weg für einen authentischen Dialog gewiesen“ und „das korrigiert, was er für einen Missbrauch des Dialogs hielt“.

„Prophet der Beziehungen zum Islam“

Als „Prophet der Beziehungen zum Islam“ würdigte der irakische Kardinal Louis Raphael Sako den Verstorbenen. Erst später habe man verstanden, dass Benedikt mit seiner Regensburger Rede „Recht hatte“ und auch die Grundlage geliefert habe für die großen Fortschritte im Dialog mit dem sunnitischen und schiitischen Islam, welche Papst Franziskus nun mache. Benedikt habe stets große Nähe zu den Christen des Ostens spüren lassen, was ihnen sehr geholfen habe, „unser Leben weiterzuführen und das friedliche Zusammenleben zu stärken“. Auch die Idee einer Synode für den Nahen Osten habe Benedikt sofort aufgegriffen. Er selbst betrache ihn, auch wenn sich das unmittelbar nach dem Tod nicht zieme, bereits als Heiligen – „wegen dem, was er für die Kirche getan hat“, sagte Sako.

Auf den Philippinen, Asiens Land mit der größten Katholikenzahl, erklärte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Pablo Virgilio David: „Wenn Papst Franziskus als der Papst der Barmherzigkeit und der Freude bekannt ist, wird man sich an Papst Benedikt als den Papst der Nächstenliebe erinnern“, sagte der Bischof von Kalookan. „Er begann sein Episkopat mit einer zutiefst theologischen Enzyklika mit dem Titel Deus Caritas Est (Gott ist Liebe).“

In Myanmar würdigte der Erzbischof von Yangon, Kardinal Charles Bo, den Verstorbenen für „seine großen Beiträge für die Kirche und die Welt“. „Er blieb der Tradition und den Lehren der Kirche treu“, sagte Bo, der auch Vorsitzender der asiatischen Bischofskonferenzen ist.

Nach Worten von Joseph Nguyen Nang, Vietnams Episkopats-Vorsitzender und Erzbischof von Ho-Chi-Minh-Stadt, hat die Kirche mit dem Verstorbenen „einen heiligen Vater, einen guten Hirten, einen großen Meister und einen treuen Zeugen“ verloren.

KNA