Union Buildings, Präsidentenpalast in Pretoria (Südafrika)
Auch Kirchen kritisieren einstigen Hoffnungsträger

Südafrikas Präsident bangt um Wiederwahl durch eigene Partei

Kapstadt ‐ Südafrikas Präsident steht vor einer entscheidenden Bewährungsprobe: Schützt er seine korrupten Parteigenossen oder gibt er der angeschlagenen Nation neue Hoffnung?

Erstellt: 09.11.2022
Aktualisiert: 09.11.2022
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Von Markus Schönherr (KNA)

Der Präsident lacht von der Titelseite, umgeben von Einhörnern, Blumen, Muffins und Hundewelpen. Mit dieser süß-überspitzten Momentaufnahme feierte eine südafrikanische Wochenzeitung vor vier Jahren den Amtsantritt von Hoffnungsträger Cyril Ramaphosa. Dieser Tage sehen die Montagen in den Zeitungen anders aus: die Stirn des Staatschefs in Falten gelegt, das sorgenvolle Gesicht umringt von dunklen Wolken.

Ramaphosa durchlebt derzeit seinen ersten handfesten Regierungsskandal, schon länger ist auch sein Ruf als Hoffnungsträger dahin. Trotzdem will er sich beim Parteitag des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) im Dezember der Wiederwahl stellen.

Mit der Saga um seine Großwild-Farm Phala Phala lieferte Ramaphosa den Stoff für einen Politthriller. Mehrere Millionen US-Dollar, angeblich aus dem Verkauf von Büffeln, soll er in seiner Couch versteckt haben. Als das Geld 2020 gestohlen wurde, habe er die Täter bis nach Namibia verfolgen lassen, um sie anschließend für ihr Schweigen zu bezahlen. Das behauptet zumindest Ex-Geheimdienstchef Arthur Fraser, der Ramaphosa im Juni bei der Polizei anzeigte.

Ob das Staatsoberhaupt damit seinen Eid auf die Verfassung gebrochen hat und vom Parlament zurückgerufen werden könnte, untersucht nun eine unabhängige Richterkommission. Die Opposition wittert schon Neuwahlen. Nächste Woche soll die Kommission ihre Empfehlung abgeben.

So oder so gleicht Ramaphosas Präsidentschaft einem Drahtseilakt. Der ehemalige Gewerkschafter und Unternehmer, der 2018 von seinem Vorgänger Jacob Zuma einen politischen und wirtschaftlichen Scherbenhaufen erbte, kann einige Erfolge verbuchen: Südafrikas Staatsanwaltschaft und Steuerbehörde haben an Glaubwürdigkeit gewonnen. Immer mehr Drahtzieher der Korruptionsskandale der vergangenen Jahre landen vor Gericht. Und auch Ramaphosas Ankündigung von Ende Oktober, Staatsbetriebe strenger zu kontrollieren und Whistleblower besser zu schützen, gab Zuversicht.

Nichtsdestotrotz warnt der Südafrikanische Kirchenrat (SACC): Die Phala-Phala-Saga drohe „selbst die besten Absichten zur Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung zu Fall zu bringen“. Auch den versprochenen „Neuanfang“ bleibt Ramaphosa seiner Nation bislang schuldig: Mehr als die Hälfte der Südafrikaner lebt in Armut. Arbeitslosigkeit und Gewalt gegen Frauen sind auf Rekordniveau. Entsprechend warnt der Kirchenrat vor „Turbulenzen“ in Südafrikas Politik. Schon jetzt würden „die Grundlagen unserer Vorstellungen aufgerüttelt“, das „soziale Gefüge“ stehe unter Beschuss.

Ramaphosa gilt als politischer Ziehsohn Nelson Mandelas (1918-2013). Doch anders als der geliebte Staatsvater kann sich Ramaphosa nur bedingt auf den Rückhalt seiner Partei verlassen. Der Riss durch den ANC zeigt sich deutlich vor dem Parteitag. Die stimmenstärkste ANC-Provinz KwaZulu-Natal etwa will nicht Ramaphosa als nächsten Parteiführer sehen, sondern den umstrittenen Ex-Gesundheitsminister Zweli Mkhize; dieser war 2021 wegen veruntreuter Corona-Hilfsgelder zurückgetreten. Ende Oktober musste Ramaphosa Kritik von allen drei seiner noch lebenden Vorgänger einstecken. Mit seinem Schweigen zu den Vorwürfen sende er „eine bestimmte Botschaft“, meinte der frühere Interimspräsident Kgalema Motlanthe.

Die südafrikanische Enthüllungszeitung „Daily Maverick“ schreibt, beim Parteigipfel werde Ramaphosa als geschwächter Sieger hervorgehen, der sich weiter irgendwie „durchwurstelt“. Dabei gilt es ausgerechnet jetzt, harte Entscheidungen zu treffen. Einige Nutznießer der jüngeren Korruptionsskandale sitzen in den obersten Rängen des ANC. Was viele Südafrikaner geahnt hatten, bestätigte nun auch der Untersuchungsbericht von Anti-Korruptions-Ermittlern.

„Wir wollen vom Präsidenten wissen, wie er die Minister zur Verantwortung ziehen will, die laut Kommissionsbericht verwickelt sind“, forderte jüngst der Vorsitzende der katholischen Südafrikanischen Bischofskonferenz, Bischof Sithembele Sipuka. Derzeit scheine „politische Zweckmäßigkeit über das Wohl der Nation zu triumphieren“. Der Kampf gegen Korruption wird der große Test für Ramaphosas zweite Amtszeit – eine Wiederwahl im Dezember vorausgesetzt.

KNA