„Unsere eigenen Probleme derzeit dürfen uns nicht hindern, diese Menschen zu unterstützen“
Auf seiner Reise in den Libanon ist der Mainzer Weihbischof Dr. Udo Bentz mit Vertretern der Zivilgesellschaft, Bischöfen und Patriarchen zusammengetroffen. Das Land ist seit Jahren in der Krise, hat aber dennoch über eine Million Geflüchtete aus dem Nachbarland Syrien aufgenommen.
Aktualisiert: 24.10.2022
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Unter den Gesprächspartnern von Weihbischof Bentz war auch Kardinal Béchara Pierre Raï, maronitischer Patriarch von Antiochien und dem ganzen Orient, der sich immer wieder deutlich zur Lage zu Wort meldet. „Politisch steht der Libanon vor einem Scherbenhaufen – zerrissen zwischen internationalen Interessen, zerfressen von der Korruption der politischen Elite. Die wirtschaftliche Krise verschärft sich in einer dramatischen Weise. Ich erlebe, dass dieser Besuch – gerade jetzt – von allen Gesprächspartnern als Ausdruck der Solidarität besonders geschätzt wird. Über die Probleme, die uns in Deutschland bewegen, sollen die Sorgen der Menschen im Libanon nicht in Vergessenheit geraten,“ erklärte Weihbischof Bentz zum Ziel der Reise. Es sei schockierend zu sehen, wie die galoppierende Inflation alles auffresse, so der Weihbischof. „Durch die Krise der Banken sind alle Konten eingefroren. Auch die sozialen Einrichtungen der Kirchen vor Ort können ihre Guthaben nicht nutzen. Dadurch gerieten manche kirchliche Einrichtungen in Not, vor allem aber wurden viele Menschen unerwartet in die Armut katapultiert.“
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Besonders beeindruckt zeigte sich Weihbischof Bentz jedoch von der Hoffnung der Menschen auf eine bessere Zukunft, die in Gesprächen trotz allem immer wieder aufgekommen war. „Bleiben oder gehen?“, sei die Hauptfrage, die sich vor allem die jungen Menschen stellten, resümierte Weihbischof Bentz die Begegnungen. Angesichts des Zusammenbruchs der staatlichen Infrastruktur sei diese Frage verständlich. Umso bemerkenswerter sei, dass im Gespräch mit Studierenden diese Frage keineswegs eindeutig beantwortet wurde. Einige Studenten erkennen eine Verantwortung darin, sich nicht durch die Folgen umfassender Korruption ins Ausland treiben zu lassen. „Wir können das Land nicht denen überlassen, die es zugrunde gerichtet haben“, so Studierende der Norte Dame Universität Louaize im Gespräch. Ein Mitarbeiter der Dar el Hannan Schule in Baalbek berichtete, dass er trotzt wirtschaftlich gesicherter Situation aus dem Ausland wieder zurückgekommen sei. Er habe das Lebensgefühl der Heimat vermisst und wolle sich nun hier engagieren. „Leben ist mehr als ein guter Job,“ fügte er hinzu. Und schließlich sähen andere eine Aufgabe darin, nicht nur als Hüter der Heiligen Stätten des Christentums im Land zurückzubleiben, sondern alles zu tun, um lebendige Gemeinschaften zu erhalten.
In Gesprächen in der Bekaa-Region mit den maronitischen Bischöfen Hanna Rahmé und Joseph Mouawad sowie dem melkitischen Erzbischof Ibrahim Ibrahim stand die Frage im Mittelpunkt, welche Unterstützungen am besten geeignet wären, die Präsenz der Christen im Land zu stärken. Die Meinungen dazu gingen auch innerhalb der Kirchen weit auseinander, so Weihbischof Bentz: „Einerseits braucht es in mancher Hinsicht akute finanzielle Hilfe, um zu überleben. So sind z. B. die Kosten für Strom, Diesel und Benzin gerade für die sozialen Einrichtungen eine enorme Belastung. Auch die Nahrungsmittelversorgung für Bedürftige hat vielerorts eine hohe Priorität. Andererseits geht es aber auch um längerfristige Strategien. Die einen versuchen, den Wegfall staatlicher Infrastruktur mit Projekten im Bildungs- oder Schulbereich zu kompensieren. Andere setzen stärker darauf, bestehende Realitäten anzuerkennen und die Menschen, die trotz allem weiterhin im Land leben, in ihrer jeweiligen Situation zu stärken.“ Entsprechend unterschiedlich fielen die Bitten um Unterstützung aus.
Patriarch Raï wies in der Begegnung an seinem Amtssitz in Bkerke zudem darauf hin, dass die große Zahl syrischer Flüchtlinge im Land eine enorme Belastung darstelle. Nach den Worten des Patriarchen verschlösse die internationale Gemeinschaft die Augen davor, dass der syrische Präsident Assad den Krieg faktisch für sich entscheiden konnte. Erforderlich seien erneute internationale Initiativen, um auf diese Realität zu reagieren.
„Im Vergleich zu meinen früheren Besuchen ist es erschütternd zu sehen, wie dieses kleine Land, dass vor kurzem in der Lage war, über eine Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, nun selber in eine solche Krise abgeglitten ist. Eine korrupte Elite hat das Land systematisch geplündert. Und doch: Ich bin auf so viele Menschen getroffen, die sich für Veränderungen einsetzen und dazu beitragen wollen, dass das Land wieder auf einen guten Weg kommt. Bei ihnen habe ich eine starke, von christlicher Hoffnung getragene Energie gespürt. Unsere eigenen Probleme derzeit dürfen uns nicht hindern, diese Menschen zu unterstützen mit unserem Gebet und unserer finanziellen Hilfe“, so Weihbischof Bentz.
DBK