Ein Schaufenster der Kirche mitten in Stockholm
Stockholm/Paderborn ‐ Mehr als 200 Jahre lang war den katholischen Schwedinnen und Schweden zuvor ihre Religionsausübung verboten gewesen, als in Stockholm 1837 die Gemeinde St. Eugenia gegründet wurde. Heute gehören ihr Menschen aus 80 Nationen an.
Aktualisiert: 20.10.2022
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Die Gemeinde St. Eugenia im schwedischen Stockholm ist die erste katholische Pfarrei, die nach der Reformation in Schweden entstand und wurde im Jahr 1837 gegründet. Mehr als 200 Jahre lang war den katholischen Schwedinnen und Schweden ihre Religionsausübung verboten gewesen. Die Gemeindemitglieder in St. Eugenia kommen heute aus mehr als 80 verschiedenen Nationen und leben in der Innenstadt Stockholms – die Altstadt wird auch Gamla Stan genannt – sowie in nördlichen und westlichen Vororten. Der Anteil der Katholiken im Einzugsgebiet ist mit 1,5 Prozent höher als der Durchschnitt in Schweden, der bei 1,2 Prozent liegt. Auch die Sprachvielfalt ist groß: Die Gottesdienste werden unter anderem in Schwedisch, Englisch, Polnisch und Arabisch angeboten.
„St. Eugenia ist etwas wie eine Mutterpfarrei des Landes“, sagt Pater Dominik Terstriep, der 1998 für die Diözese Münster zum Priester geweiht wurde. Die Pfarrei St. Eugenia wird seit 1897 vom Jesuitenorden pastoral betreut, seit 2012 ist der Jesuitenpater ihr Pfarrer: „In der Gemeinde versuchen wir, die Kirche in Schweden zu bauen, nicht eine Auslandskirche für verschiedene Einwanderergruppen zu sein.“ Das Rückgrat sind demnach die circa 350 Freiwilligen, die zusammen mit den Jesuiten das Gemeindeleben tragen. „Die Pfarrei ist mehr als eine Pfarrei, da sie eine Zentrumsfunktion für die ganze Stadt hat“, sagt Pater Dominik Terstriep. „St. Eugenia soll – dem Wunsch des Bischofs entsprechend – ein Schaufenster der Kirche mitten in Stockholm sein.“ So stellt die Pfarrgemeinde St. Eugenia Angebote bereit, die andere Pfarreien in Stockholm nicht vorhalten: Unter anderem gibt es ein Katholisches Forum mit Kursen, Vorträgen und Veranstaltungen, die die Kirche und Gesellschaft miteinander in Verbindung bringen.
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Nachdem die erste Gemeindekirche für die Umgestaltung des Stadtzentrums abgerissen worden war, behalf sich die Gemeinde St. Eugenia mit provisorischen Unterkünften. 1982 zog die Gemeinde schließlich in die neue Kirche, die in einen Stadtpalast aus dem Jahr 1887 integriert wurde. Wenn man an der Fassade der Kirche St. Eugenia vorbeigeht, läuft man Gefahr, das Gotteshaus nicht als solches zu erkennen: Nur ein kleines, vergoldetes Kreuz über dem Haupteingang deutet auf die Funktion des Gebäudes als Kirche hin. Im Inneren des Sakralbaus befindet sich ein Holzkreuz; dieses wurde aus den Dachbalken der alten, abgerissenen Kirche gefertigt. Doch auch neue Stilelemente zogen ein. An Stelle der üblichen Weihekreuze verfügt die Kirche St. Eugenia über Weihesteine. „Es handelt sich um Steine aus zwölf Ländern, von denen die Kirche in Schweden ihren Ursprung herleitet, wichtige Impulse bekommen hat oder Gemeindemitglieder herstammen“, sagt Pater Dominik Terstriep. „Da es nur für zwölf Steine Platz gab, sind die Länder mehr repräsentativ ausgewählt.“ So stehen die Steine aus Peru, Spanien, Ungarn, Simbabwe, Polen, Philippinen, Frankreich, England, Italien, Tschechien, Israel und Deutschland stellvertretend für die weltweiten Einflüsse.
Starker Zuzug von Menschen aus der Ukraine
Überhaupt herrsche in der Gemeinde eine positive Dynamik: Viele Menschen entscheiden sich bewusst für den Glauben, identifizieren sich mit Leben und Lehre der Kirche und wollen sich engagieren. „Die Gemeinde ist geprägt von einem Miteinander von ‚Eingeborenen‘ und Einwanderern, die rein äußerlich und innerlich prägend sind“, sagt Pater Dominik Terstriep. Ein Ereignis sei ihm besonders in Erinnerung geblieben: „Am Ende der englischen Abendmesse vor einigen Jahren kam ein Mann aus Afrika zu mir auf den Kirchplatz. Er hatte Tränen in den Augen und berichtete, dass er den weiten Weg von seinem afrikanischen Heimatland über Lampedusa nach Schweden geschafft hätte. Das erste, was er hier gesucht hätte, war ‚a place to worship‘. Den hatte er hier gefunden.“ A place to worship – ein Ort des Lobpreises.
In St. Eugenia ist auch die griechisch-katholische Mission angesiedelt. Vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine lebten dort 400 bis 600 Ukrainerinnen und Ukrainer, mittlerweile sei es ein Vielfaches mehr, sagt Pater Dominik Terstriep. In der ersten Kriegswoche entwickelte sich in der schwedischen Hauptstadtpfarrei eine Welle der Solidarität. „Viele Freiwillige organisierten eine riesige Hilfsaktion für die Menschen in der Ukraine“, sagt Pater Dominik Terstriep: „Konkret nachgefragte Hilfsgüter konnten dank Kontakten mit lokalen Partnern in drei Lastwagen nach Osten transportiert werden.“
Die Gemeinde St. Eugenia ist Projektort für die Freiwilligen des „Praktikums im Norden“. Das Bonifatius-Praktikanten-Programm ist eine Kooperation zwischen dem Bonifatiuswerk in Paderborn und dem Newman Institut in Uppsala in Schweden. Seit 2011 bietet es jungen Erwachsenen die Chance, die katholische Kirche in Nordeuropa und dem Baltikum kennen zu lernen und zu unterstützen. In St. Eugenia verbringen die Praktikantinnen und Praktikanten die Sonntage häufig in der Kirchengemeinde. Dort übernehmen sie eine Katechesegruppe auf Englisch oder unterstützten die Vorbereitungen für die Studentengemeinde. Unter der Woche helfen sie sowohl im „Katolsk Bokhandel“, einem Buchladen, der sich direkt neben der Kirchengemeinde und im gleichen Gebäude wie die Kirche befindet als auch im Caritas-Mötesplats: Dies ist ein Treffpunkt für Menschen, die neu in Schweden sind und die Sprache lernen sowie Leute treffen möchten. Pater Dominik Terstriep ist Mentor der Praktikanten und überzeugt: „St. Eugenia – vielleicht der schönste Platz für ein Praktikum in Schweden.“