Menschen feiern mit erhobenen Händen beim Weltjugendtag in Panama

Ein Ort geschwisterlicher Liebe

Der Begriff „Weltkirche“ ist ein Grundbegriff in der internationalen Arbeit der katholischen Kirche in Deutschland. Die zahlreichen Akteure in diesem Feld kirchlichen Engagements bezeichnen sich selbst als Träger weltkirchlicher Arbeit. Gleichwohl stellt sich für Außenstehende oft die Frage, was eigentlich genau mit dem Begriff „Weltkirche“ gemeint ist.

Erstellt: 18.09.2012
Aktualisiert: 30.05.2023
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Zunächst will der Begriff „Weltkirche“ rein geographisch ins Wort bringen, dass sich die katholische Kirche als eine Kirche versteht, die auf der ganzen Welt präsent ist. In diesem Sinne steht „Weltkirche“ synonym für den Begriff der „Universalkirche“. Zugleich aber bringt der Begriff „Weltkirche“ auch zum Ausdruck, dass sich eben diese eine Kirche weltweit in je einzelnen Kirchen vor Ort verwirklicht und (Welt-)Kirche eben gerade in diesem wechselseitigen Verhältnis zueinander besteht.

Weltkirche als Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft

Grundlegendes Dokument zum Verständnis dessen, was Weltkirche für die deutschen Bischöfe bedeutet, ist das Bischofswort „Allen Völkern Sein Heil – Die Mission der Weltkirche“ aus dem Jahr 2005. Es führt uns vor Augen, in welchen Dimensionen Weltkirche lebendig wird: Die weltweite Communio der Kirche ist Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft zugleich. Dabei ist die Reihenfolge durchaus von Bedeutung: Nur wer umeinander weiß, wer sich kennt, kann auch wahrhaftig im Gebet füreinander eintreten und wirklich solidarisch sein.

„Die Mission in der Weltkirche braucht Kopf, Herz und Hand, die wie beim menschlichen Körper zusammenwirken müssen.“

—  Zitat: Allen Völkern Sein Heil

Lerngemeinschaft: umeinander wissen

Lerngemeinschaft heißt zunächst Umeinander-Wissen und ist damit ein wechselseitiges Geschehen. Sie verwirklicht sich schon heute in zahlreichen Partnerschaften und Begegnungen zwischen Gemeinden und Diözesen. Durch persönliche Kontakte und gegenseitige Besuche wird die Lerngemeinschaft wesentlich vertieft. Denn es gibt Lebenswelten, die man nur erfährt und versteht, wenn man vor Ort ist und sie wirklich kennen lernt. Die Lerngemeinschaft verwirklicht sich auch durch die umfassende Bildungsarbeit der Hilfs- und Missionswerke in Deutschland: Wenn man nach der Adveniat-Kampagne im Advent die Situation der Kirche in Brasilien kennt, wenn die Jungen und Mädchen der Sternsinger infolge ihres Engagements mehr über Kinderarbeit in Peru wissen, dann vollzieht sich dort ein Lernprozess. Solche Bewusstseinsbildung ist der Ausgangspunkt zur Gestaltung einer Weltkirche, in der man mitfühlend umeinander weiß, miteinander betet und füreinander einsteht.

Gebetsgemeinschaft: miteinander beten

Gemeinschaft kann nach christlichem Verständnis nur gelingen, wenn sie durch das persönliche Gebet ihre Tiefe erhält und somit Gott und seine Botschaft vom Reich Gottes ihren Platz in unserem Leben einnehmen. Nirgendwo wird die universale Gebetsgemeinschaft der Christen wohl deutlicher als bei der Feier der Eucharistie: Die ganze Kirche versammelt sich um den Tisch des Herrn, hört Sein Wort und empfängt Seinen Leib. In der Begegnung mit der Weltkirche wird einem der Reichtum und die Vielfalt liturgischer Traditionen, aber auch die Einheit und Gemeinschaft in der einen Liturgie bewusst. Es ist Ausdruck wahrer weltkirchlicher Gesinnung, wenn wir die intensivsten Gebetszeiten des Kirchenjahres durch weltkirchliche Themen bestimmt sein lassen.

Der Advent erhält seine Prägung durch die Arbeit von Adveniat für die Kirche in Lateinamerika, die Zeit um den Dreikönigstag wird von der Sternsingeraktion und dem Einsatz für die Kinder dieser Welt erfüllt. Misereor weist uns in der Fastenzeit auf das anhaltende Unrecht von Hunger und Krankheit weltweit hin und an Pfingsten beten wir mit Renovabis für die Erneuerung der Kirche in Osteuropa. Die Gottesdienste in diesen Zeiten sind zugleich Orte der Lern- und der Gebetsgemeinschaft, wenn Gäste aus anderen Ländern zugegen sind und uns durch die Materialien der Hilfs- und Missionswerk deren Situation vor Augen geführt wird. So wird der Ort innigster Verbundenheit mit dem Herrn und größter Innerlichkeit zum Ort der Öffnung zum Nächsten und der Sendung zu den Völkern dieser Welt.

Solidargemeinschaft: füreinander einstehen

Der Kirche begegnen in vielen Bereichen der Welt Armut und Not, Unfriede und Ungerechtigkeit. Viele Kirchen sind auf unsere Solidarität angewiesen, weil ihnen oft die einfachsten Mittel fehlen, ihre eigene Situation in Pastoral und Gesellschaft zu gestalten. Solidarität bedeutet daher, diese Kirchen finanziell zu unterstützen – so, wie es durch die Projektarbeit der Hilfswerke, der Diözesen und Orden geschieht. Solidarität heißt aber auch, deren Situation hierzulande zur Sprache zu bringen. Es gilt denen eine Stimme zu geben, die allzu oft nicht gehört werden: den Armen.

Die Öffentlichkeitsarbeit der katholischen Hilfswerke dient daher nicht allein der Einwerbung von Spenden. Sie hat immer auch den Auftrag der weltkirchlichen Bewusstseinsbildung und Lobbyarbeit an der Seite der Kirchen des Südens. Gerade die Solidarität mit den armen Schwestern und Brüdern ist für die Kirche „der Prüfstein ihrer Treue zu Christus“, wie es Johannes Paul II. in der Enzyklika Laborem exercens sagt. Denn die Kirche erkennt „in den Armen und Leidenden…das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war“ (Lumen gentium 8).

Weltkirche – ein wechselseitiges Geschehen

Eine Lebensweisheit, die in asiatischen Ortskirchen überliefert wird, lautet: „Niemand ist so reich, dass er nichts zu empfangen hätte, und niemand ist so arm, dass er nichts zu geben hätte.“ In diesem Sinn leben alle Ortskirchen vom Empfangen und Geben. Die wichtigsten ersten Schritte bestehen darin, Interesse für die Anderen zu entwickeln, zur wechselseitigen Anerkennung als gleichwertige Partner zu kommen und vielfältiges Teilen und Mitteilen einzuüben. So wird Kirche zum Ort geschwisterlicher Liebe. So entsteht Weltkirche.

Von Ulrich Pöner, Ralph Poirel, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz