Indigene protestieren in Ecuador
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Hohe Spritpreise und ein Präsident unter Druck

Indigene protestieren in Ecuador

Quito ‐ In Ecuador entlädt sich die Wut über hohe Benzinpreise auf dem Land. Die indigene Bevölkerung hat klare Forderungen an den konservativen Präsidenten Lasso. Der katholischen Kirche könnte eine Vermittlerrolle zufallen.

Erstellt: 22.06.2022
Aktualisiert: 13.07.2022
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Ecuadors Militärs lassen die Muskeln spielen. Die Demokratie sei in Gefahr, hieß es aus der Andennation am Dienstag in einer Stellungnahme des Verteidigungsministeriums, aus der die Zeitung „El Universo“ zitiert. Die Armee werde keinen verfassungsrechtlichen Bruch der Ordnung zulassen.

In Ecuador steht also nach tagelangen Demonstrationen der indigenen Bevölkerung, getragen vom Indigenen-Dachverband CONAIE und der indigenen Partei Pachakutik, laut Regierung nichts anderes als ein Sturz des konservativen Präsidenten Guillermo Lasso auf dem Spiel. Aus der Sicht der Demonstranten geht es aber um etwas ganz Anderes: Ihr eigenes wirtschaftliches Überleben.

Seit Monaten steigen die Sprit- und Lebensmittelpreise, wird das Leben insbesondere für die indigene Landbevölkerung, die auf den Transport wie Bus oder LKW angewiesen ist, unbezahlbar. Für Diesel ging der Sprit um 90 Prozent pro Galone auf 1,90 US-Dollar in die Höhe, für Benzin stieg er um 46 Prozent auf 2,55 US-Dollar. Für die Campesinos, die indigenen Kleinbauern, ist das alles nicht mehr zu bezahlen. Schon einmal vor gut drei Jahren, damals noch unter Präsident Lenin Moreno, gab es deswegen Ausschreitungen im ganzen Land. Erst eine Vermittlung der Vereinten Nationen und der Kirche konnte die Spannungen beenden.

Bislang hat sich Lasso nur auf dem Papier gesprächsbereit gezeigt. Einen zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog von CONAIE beantwortete er mit einem ausführlichen Antwortschreiben. Das löst aber nicht die tiefgreifenden Konflikte, zumal der Präsident sein eigenes Schicksal mit den Protesten verknüpft. „Wir haben die Hand ausgestreckt, zum Dialog aufgerufen, aber sie wollen keinen Frieden. Sie wollen nur Chaos stiften und den Präsidenten stürzen“, sagt Lasso.

Dabei liegen die Forderungen klar auf dem Tisch: Eine Zahlungspause für die Tilgung von Krediten an die Banken, eine Preiskontrolle für Agrarprodukte, mehr Arbeitsplätze, die Aussetzung von Bergbaukonzessionen in indigenen Gebieten und mehr Investitionen für Gesundheit, Bildung und Sicherheit. Eigentlich eine Grundlage für direkte Gespräche und Verhandlungen, wie sie übrigens auch das Parlament fordert. Dort wurde mit großer Mehrheit (81 von 137 Stimmen) die Regierung zu einem „ernsten, klaren und ehrlichen Vorschlag“ für einen Dialog aufgefordert. Hier ist die indigene Partei Pachakutik die zweitstärkste Kraft.

Die Sprachlosigkeit Lassos verursache eine Menschenrechtskrise, die an die im Oktober 2019 erinnert, kritisiert Amnesty International die Vorgehensweise des Präsidenten. „Um zu verhindern, dass sich diese Geschichte wiederholt, muss der Präsident die Unterdrückung beenden und die strukturellen Ursachen der Proteste angehen, einschließlich der Adressierung der Wirtschaftskrise und der Auswirkungen ihrer Politik auf die Rechte der am stärksten von der Pandemie betroffenen Gruppen, wie indigene Völker und Menschen, die in Armut leben“, sagte Erika Guevara-Rosas, Amerika-Direktorin bei AI.

Zuvor hatte sich auch die katholische Kirche gemeldet. Die Bischöfe der Andennation riefen alle Beteiligten zu einem Dialog auf. Dass es zu einer Neuauflage der Vermittlung von Kirche, UN sowie Regierung und Streikenden kommt, ist nicht ausgeschlossen. Derzeit spitzt sich die Lage aber weiter zu: Dutzende Menschen wurden verhaftet und verletzt, es gibt bereits Todesfälle. Lateinamerikanische Medien sprechen bereits davon, dass Lasso unter großem Druck stehe und ein Sturz der Regierung nicht mehr ausgeschlossen sei.

Von Tobias Käufer/KNA