Kirchen fordern restriktivere Rüstungsexportpolitik
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Kirchen fordern restriktivere Rüstungsexportpolitik

Die beiden großen Kirchen haben im Entwicklungsausschuss des Bundestages deutliche Kritik an der deutschen Rüstungsexportpolitik geübt. Wie der Bundestagspressedienst am Mittwoch mitteilte, bezogen sie sich dabei vor allem auf Ausfuhren in Entwicklungsländer und Staaten, die Menschenrechte missachten. Das Gremium befasste sich mit dem jüngsten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung und dem entsprechenden Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).

Erstellt: 13.03.2013
Aktualisiert: 16.12.2022
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Die beiden großen Kirchen haben im Entwicklungsausschuss des Bundestages deutliche Kritik an der deutschen Rüstungsexportpolitik geübt. Wie der Bundestagspressedienst am Mittwoch mitteilte, bezogen sie sich dabei vor allem auf Ausfuhren in Entwicklungsländer und Staaten, die Menschenrechte missachten. Das Gremium befasste sich mit dem jüngsten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung und dem entsprechenden Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).

Laut GKKE sind im Berichtsjahr 2011 rund 21 Prozent aller Einzelausfuhrgenehmigungen für Entwicklungsländer erteilt worden. Weitere Rüstungsgüter seien in 64 Länder gegangen, deren Menschenrechtssituation „sehr bedenklich“ sei. Die Bundesregierung beziffert die Einzelausfuhrgenehmigungen für Entwicklungsländer hingegen auf rund neun Prozent. Die Differenz erklärt Entwicklungsstaatsekretärin Gudrun Kopp (FDP) vor allem dadurch, dass die Bundesregierung weder Exporte in die Türkei noch den Export von Minenräumgeräten in Konfliktgebiete einberechnet habe.

„Ein entwicklungs- und rüstungspolitischer Sündenfall“

Der katholische Vorsitzende der GKKE, Karl Jüsten, sprach laut Pressedienst vom „Eindruck einer Genehmigungspraxis, die sich nicht an die eigenen restriktiven Maßstäbe“ halte und die Einhaltung von Menschenrechten in den Empfängerländern oftmals anderen Interessen unterordne. Es sei etwa ein „gefährlicher Trugschluss“ zu glauben, dass Rüstungsexporte zur Stabilisierung in Konfliktregionen beitragen könnten. Mögliche Pläne der Bundesregierung, Panzerlieferungen an Saudi-Arabien eine Genehmigung zu erteilen, nannte Jüsten in diesem Zusammenhang einen „entwicklungs- und rüstungspolitischen Sündenfall“.

Nach Einschätzung des evangelischen GKKE-Vorsitzenden, Bernhard Felmberg, führen Waffenexporte in vielen Fällen zu einer Eskalation der Gewalt, statt zu mehr Stabilität. Staaten mit hohem Militärhaushalt neigten dazu, Gesundheit und Bildung zu vernachlässigen. Felmberg verlangte mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle bei Rüstungsexporten.

In einer kontroversen Diskussion kritisierten Vertreter der Oppositionsfraktionen, dass die Regierung das Parlament mangelhaft informiere. Sie forderten eine wesentlich rigidere Genehmigungspraxis. Vertreter der Koalitionsfraktionen betonten demgegenüber, dass sich aus den Zahlen der Rüstungsexportberichte keine massive Ausweitung der Exporte ableiten lasse.

GKKE-Rüstungsexportbericht 2012: die wichtigsten Fakten

2011 erteilte die Bundesregierung Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 5,414 Milliarden Euro. 2010 waren es noch 4,754 Milliarden Euro. Sammelausfuhrgenehmigungen wurden 2011 im Wert von 5,380 Milliarden Euro erteilt. Gegenüber 2010 (737 Millionen Euro) ist dieser Wert um 630 Prozent gestiegen. Genehmigungen für staatenübergreifende gemeinsame Rüstungsprojekte wurden verstärkt auch an Drittstaaten erteilt, darunter auch Israel, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die wichtigsten Ausfuhrgüter 2011 waren militärische Ketten- und Radfahrzeuge im Wert von 1,498 Milliarden Euro, Munition im Wert von 1,079 Milliarden Euro und militärische Luftfahrtzeuge und -technik im Wert von 399,9 Millionen Euro. 42 Prozent aller Ausfuhrgenehmigungen gingen an Länder, die nicht der NATO oder der Europäischen Union angehören. Der Wert dieser Ausfuhren betrug 2,298 Milliarden Euro. Unter diesen waren die bedeutendsten Abnehmer die Vereinigten Arabischen Emirate (356,9 Millionen Euro), Singapur (343,8 Millionen Euro), Irak (244,3 Millionen Euro), Algerien (217,4 Millionen Euro), Südkorea (198,6 Millionen Euro), Russland (144,1 Millionen Euro), Saudi-Arabien (139,5 Millionen Euro), Indien (90,1 Millionen Euro) und Ägypten (74,2 Millionen Euro). Nach Ermittlungen des Bonner Internationalen Konversionszentrums (BICC) hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr 5.149 Lizenzen (Vorjahr: 3.347) für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in 76 Staaten erteilt, die hinsichtlich des EU-Verhaltenskodex als problematisch einzustufen sind. Der Wert der erteilten Ausfuhrgenehmigungen in diese Länder stieg erheblich von 1,331 Milliarden Euro (2010) auf 2,863 Milliarden Euro (2011). 2011 erhielten 64 Länder, deren Menschenrechtssituation vom BICC als sehr bedenklich eingestuft wird, Rüstungsgüter aus Deutschland (2010: 48 Länder). Bei den Ausfuhren von kleinen und leichten Waffen ist im Jahr 2011 ein Rückgang gegenüber dem Jahr 2010 zu verzeichnen. Die Bundesregierung hat für das Jahr 2011 die Ausfuhr von 34.768 kleinen und leichten Waffen genehmigt. Nach Einschätzung des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI hatten die deutschen Ausfuhren von konventionellen Großwaffen zwischen 2007 und 2011 einen Anteil von 9 Prozent am weltweiten Waffenhandel. Wichtigste Abnehmer waren Griechenland (13 Prozent), Südkorea (10 Prozent) und Südafrika (8 Prozent). Laut SIPRI sind die deutschen Rüstungsexporte zwischen 2007 und 2011 um 37 Prozent im Vergleich zum Zeitraum zwischen 2002 und 2006 gestiegen. (KNA)

Die GKKE

wurde 1973 als ökumenischer Arbeitsverbund zur Entwicklungspolitik gegründet. Sie steht im Gespräch mit politischen Institutionen und gesellschaftlichen Interessengruppen. Getragen wird die Konferenz von der katholischen Menschenrechts- und Entwicklungskommission Justitia et Pax und von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst.