Das Uganda-Experiment
Bild: © KNA

Das Uganda-Experiment

Ein schwarzer Kurienkardinal und Behördenleiter im Vatikan, Peter Kodwo Appiah Turkson aus Ghana; ein schwarzer Papstberater im sogenannten K8-Rat, Kardinal Laurent Monsengwo Pasinya aus dem Kongo; ja selbst die Rede von der Wahl eines Papstes aus Afrika: All das ist in der katholischen Weltkirche des 21. Jahrhunderts zur Normalität geworden.

Erstellt: 26.05.2014
Aktualisiert: 23.05.2024
Lesedauer: 

Noch beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) vor 50 Jahren waren die allermeisten Bischöfe des Schwarzen Kontinents weiße Missionare. Als dieser Strategiewechsel vor 75 Jahren, am 25. Mai 1939, mit der Bischofsernennung von Joseph Kiwanuka aus Uganda begann, war die Mutter des heutigen Kardinals Monsengwo (74) gerade mit diesem schwanger.

Joseph Kiwanuka war der erste einheimische Bischof des lateinischen Ritus in Afrika seit den Zeiten des heiligen Augustinus. Chronisten verzeichnen zwar noch den Bischof von Portland in den USA, James Augustine Healy (1830–1900) – doch der war weiß und konnte erfolgreich auf mehr irische als afroamerikanische Wurzeln verweisen. Kiwanuka aber war Teil eines ugandischen Experiments – und er war der erste in einer seitdem stetig wachsenden Reihe schwarzer afrikanischer Bischöfe.

Missionserzbischof Henri Streicher (1863–1952), ein gebürtiger Elsässer aus dem Orden der Weißen Väter , wünschte sich für Uganda einheimische Priester, viel mehr noch als eine von ihm persönlich christianisierte Bevölkerung. Streicher war überzeugt, nur einheimische Geistliche seien in der Lage, den christlichen Glauben glaubhaft und damit dauerhaft in Afrika zu verwurzeln. Ganz bewusst förderte Streicher begabte Kandidaten. Einer von ihnen war Joseph Kiwanuka, ein frommer Junge aus einfachsten Verhältnissen.

14 Kilometer zu Fuß zur Messe

Geboren am 25. Juni 1899 in Nakirebe im Distrikt Mpigi, wanderte er als Kind täglich 14 Kilometer mit seiner Familie zur Messe in der nächstgelegenen Missionsstation. Ohne Schulbildung, so wird überliefert, hatte er lesen gelernt, so dass ihn ein Ordensmann, beeindruckt von seinen Fähigkeiten, zu einer Missionsschule vermittelte. Dort erlebte Kiwanuka auch den ersten von Streicher geweihten schwarzen Priester in weißen Gewändern. 1923 trat Kiwanuka selbst der Gesellschaft der Missionare von Afrika („Weiße Väter“) bei. Am 26. Mai 1929 wurde er zum Priester geweiht und anschließend vom Orden nach Rom geschickt, wo er Kirchenrecht studierte und ein Doktorat zum Thema Eherecht ablegte. Nach seiner Heimkehr nach Uganda 1933 arbeitete er zunächst als Pfarrseelsorger.

Erzbischof Streichers Initiative für einen einheimischen Klerus in Uganda stand freilich keineswegs vereinzelt im luftleeren Raum. Die Missionsstrategien der katholischen Kirche sind immer auch stark im Licht der außenpolitischen Konzeptionen Europas zu bewerten. Der Beginn des 20. Jahrhunderts war noch ganz von der Frontstellung zwischen europäischem Nationalismus und Kolonialismus einerseits und ersten Unabhängigkeitsbestrebungen, vor allem in Asien, andererseits geprägt. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs stand dabei der Ferne Osten und hier vor allem China im Fokus. Hier galt es, erfolgreich zu missionieren.

Bild: © KNA

In diesem Kontext ist das päpstliche Schreiben Maximum illud vom 30. November 1919 zu sehen. Benedikt XV. (1914–1922) forderte darin nicht weniger als eine Abkehr von den Missionspraktiken der Kolonialzeit. Missionare müssten besser vorbereitet sein, auf kulturelle Eigenheiten der Völker eingehen und vor allem einen einheimischen Klerus ausbilden. Dies, so Benedikt XV., bedeute eine Abkehr vom selbstgerechten europäischen Allmachtanspruch und den Egoismen der Missionarsländer.

Einheimischer Klerus

Benedikts Nachfolger Pius XI. (1922–1939) ging diesen Kurs weiter. Auch in seiner Enzyklika Rerum ecclesiae (1926) wurde als wichtigstes Ziel ein einheimischer Klerus formuliert. Am 18. Oktober 1926 wurden im Petersdom in Rom mit größter Pracht die ersten sechs chinesischen Bischöfe geweiht und bald darauf die ersten aus Japan und Vietnam.

Für Afrika dauerte dieser Bewusstseinswandel offenbar länger. Doch in den späten 20er und den 30er Jahren wuchs mit dem Blick auf die totalitären Ideologien des Bolschewismus und des Faschismus das Bewusstsein der Kirchenleitung, zur wirklich universalen Verteidigung des Völkerrechts und der Menschenrechte aufgerufen zu sein. Die Gemeinschaft der Nationen, verankert im Naturrecht, und der Kampf gegen ein neues Heidentum waren in der Zwischenkriegszeit Hauptthemen von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII. (1939–1958).

Am 25. Mai 1939, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, ernannte der neue Papst Kiwanuka zum Apostolischen Vikar von Masaka. Seine Bischofsweihe im Petersdom am 29. Oktober 1939 nahm er persönlich vor, assistiert vom bereits seit 1933 emeritierten Erzbischof Streicher. Bis heute steht das Gerücht im Raum, die britischen Behörden hätten sich über Jahre der Ernennung eines schwarzen Bischofs widersetzt.

Große Skepsis

Kiwanuka setzte immer mehr einheimische Priester, insgesamt 56, als Pfarrer für seine Gemeinden ein – wobei er großen Wert auf deren Ausbildung legte. Die begabtesten wurden nach dem Vorbild Streichers nach Rom geschickt. Gleichwohl war die Skepsis über das „Experiment“ in Uganda in Missionskreisen groß. Waren die Afrikaner tatsächlich schon vorbereitet, ihre Kirche in Eigenverantwortung zu leiten? Doch Pius XII. ging den eingeschlagenen Weg konsequent: 1953 wurde Masaka zur regulären Diözese erhoben und Joseph Kiwanuka deren erster Bischof. 1960 machte ihn Johannes XXIII. (1958–1963) dann zum Erzbischof von Rubaga, der Vorgängerdiözese des Hauptstadtbistums Kampala.

Als Erzbischof trug Kiwanuka auch dazu bei, die Bevölkerung auf die staatliche Unabhängigkeit Ugandas 1962 vorzubereiten. Zudem versuchte er, mit kritischen Kommentaren auf die Politiker seines Landes einzuwirken – etwa mit einem weit verbreiteten Hirtenbrief über politische Führung und demokratische Reife, in dem er hellsichtig vor charismatischen Demagogen warnte.

Als Erzbischof nahm er am Konzil teil und hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Papst Paul VI. am Missionssonntag 1964 mit den Märtyrern von Uganda der Jahre 1885/1887 erstmals schwarze afrikanische Christen heiligsprach. Joseph Kiwanuka starb am 22. Februar 1966, kurz nach Ende des Konzils – und wenige Tage bevor sich der spätere Autokrat Milton Obote nach einem Staatsstreich zum Präsidenten Ugandas erklärte. Im Juli 1969 besuchte Paul VI. das Land und weihte in Kiwanukas früherer Kathedrale nicht weniger als zwölf afrikanische Bischöfe.

Von Alexander Brüggemann