Die Welt retten an einem Tag
Politik ‐ Die Zeit drängt. Gut 24 Stunden, minus Nachtruhe, haben die sieben Regierungschefs der großen Industrienationen, um die weltpolitische Lage zu besprechen. Wenn am Sonntag und Montag die Regierungschefs und Staatsoberhäupter der G7-Staaten auf Schloss Elmau im bayerischen Wettersteingebirge zusammentreffen, richten sich weltweit die Augen auf jedes Detail, das aus dem festungsartig abgeriegelten Luxusressort an die Öffentlichkeit dringt.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Die Zeit drängt. Gut 24 Stunden, minus Nachtruhe, haben die sieben Regierungschefs der großen Industrienationen, um die weltpolitische Lage zu besprechen. Wenn am Sonntag und Montag die Regierungschefs und Staatsoberhäupter der G7-Staaten auf Schloss Elmau im bayerischen Wettersteingebirge zusammentreffen, richten sich weltweit die Augen auf jedes Detail, das aus dem festungsartig abgeriegelten Luxusressort an die Öffentlichkeit dringt.
Nichtregierungsorganisationen haben klare Forderungen: Mit Blick auf die UN-Treffen zu den nachhaltigen Entwicklungszielen und Klima später im Jahr sollen die G7-Staaten Signale setzen und sich selbst verpflichten. Ein schwieriges Unterfangen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mehrfach betont hat.
Venro erinnert an 0,7-Prozent-Ziel
Zum einen geht es um finanzielle Mittel. Der entwicklungspolitische Dachverband Venro pocht darauf, dass alle G7-Staaten endlich 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe bereitstellen. „Es ist beschämend, dass gerade die G7 an dieser Stelle manchmal so knauserig sind“, beklagt Venro-Vorstand Bernd Bornhorst im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Geld fehle an allen Ecken und Enden. Angesichts der drastisch gestiegenen Zahl an humanitären Krisen und den Flüchtlingsströmen habe das Ansteigen der Mittel für humanitäre Hilfe „überhaupt nicht Schritt gehalten“, sagt Bornhorst. „Die G7 können und müssen aufgrund ihrer Wirtschaftskraft und ihres politischen Einflusses dazu beitragen, die globalen Flüchtlingstragödien zu reduzieren“, fügt er hinzu.
Misereor fordert Verpflichtung zu Nachhaltigkeitszielen
Für Misereor -Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel ist dabei die Perspektive der Krisenländer entscheidend. Deutschland nehme von den 51 Millionen Flüchtlingen weltweit weniger als ein Prozent auf. „Die große Mehrheit bleibt in den betroffenen Ländern und in den Nachbarstaaten“, sagt er. Das gehe in der Debatte leider oft unter.
Aus Sicht der Hilfswerke geht es um den Kampf gegen eine Vielzahl an Fluchtursachen. Neben Bürgerkriegsflüchtlingen steigt auch die Zahl der Menschen, die vor Hunger und Armut fliehen. Nach Angaben des aktuellen Welthungerberichts hat sich die Zahl der von Nahrungskrisen betroffenen afrikanischen Länder seit 1990 verdoppelt. Gleichzeitig reduzierten die G7-Staaten, vor allem Frankreich und Japan, laut Welthungerhilfe ihre Mittel für Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung von 11,3 Milliarden 2010 auf 8,65 Milliarden im Jahr 2013.
Ein Schritt mit Signalwirkung wäre für Misereor-Chef Spiegel, wenn sich die G7 auf dem Gipfel zu den 17 Nachhaltigkeitszielen verpflichteten, und zwar „ohne einzelne aufzuweichen“. Das erste Ziel auf der Liste: Armut in all ihren Formen überall beenden. „Entscheidend ist, eine nachhaltige ökologische Landwirtschaft aufzubauen und lokale Kleinbauern zu fördern“, erklärt Spiegel. Frauen mit eingeschlossen. Sonst stagniere die Zahl der Hungernden bei steigender Bevölkerung wohl bei 800 Millionen.
Welthungerhilfe drängt auf mehr Tempo im Kampf gegen Hunger
Nach Berechnungen der Welthungerhilfe ist bei aktuellem Tempo der Hunger erst 2060 und nicht wie angekündigt 2030 beendet. Daher braucht es aus Sicht der Hilfswerke verbindliche Zusagen der Industrie- und Schwellenländer – auch beim Klima- und Umweltschutz. Naturkatastrophen und Klimaveränderungen beeinflussen die Landwirtschaft längst negativ.
Ein Muss ist aus Sicht der Nichtregierungsorganisation auch der von Merkel angekündigte Aufbau der Gesundheitssysteme – eine Lehre aus der Ebola-Epidemie. Hier sollen die G7 finanziell helfen, aber auch Druck auf die Regierungen der betroffenen Länder ausüben. Ohne Kooperation mit örtlichen Kräften gehe es nicht.
Ärzte ohne Grenzen erhofft sich zudem mehr Mittel der G7 zur Erforschung vernachlässigter Tropenkrankheiten. Weltweit leiden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation etwa 1,4 Milliarden Menschen in rund 150 Ländern an solchen Erkrankungen. Hierüber wollen die Staaten laut Agenda sprechen, ebenso wie über Antibiotikaresistenzen. Vorstandsmitglied Tankred Stöbe sieht vor allem die Pharmaunternehmen in der Pflicht. Diese müssten von ihren „exorbitant hohen Gewinnerwartungen ablassen“ – auch durch Druck der G7.
Von Anna Mertens (KNA)