Geschwister im Glauben
Bild: © KNA

Geschwister im Glauben

Flüchtlinge ‐ Unter den Asylsuchenden in Deutschland sind viele Christen. Sie sollen in der Fremde nicht nur gut aufgenommen werden, sondern auch ihren orientalischen Ritus leben können. Flüchtlingsseelsorge ist das Thema der Stunde.

Erstellt: 22.02.2016
Aktualisiert: 22.02.2016
Lesedauer: 

Wenn sie einmal begonnen haben zu reden, hören sie nicht mehr auf. Fadi (18) aus Damaskus, seit eineinhalb Jahren in Deutschland, will Maschinenbauer werden. Sein Cousin Wade, neun Jahre älter, hat in seiner Heimat Projektmanagement studiert. Sie erzählen von ihrem Leben, ihren Erlebnissen und Plänen, wie sie zu der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS), zu Machthaber Baschar al-Assad und den Russen stehen. Mit knapp 40 weiteren syrisch-katholischen Christen leben Fadi und Wade in Regensburg. Alle zwei Wochen können sie Gottesdienst nach byzantinischem Ritus feiern, häufig treffen sie sich in Hauskreisen.

Wie viele Angehörige der katholischen Ostkirchen aus Syrien und dem Irak nach Europa geflohen sind, weiß niemand. Und lange wusste die deutsche Kirche nicht genau, wie mit den Gläubigen umzugehen ist. Die große Mehrzahl der Asylsuchenden ist schließlich muslimisch. In den jüngst von der Deutschen Bischofskonferenz beschlossenen „Leitsätzen des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge“ werden nun erstmals die pastoralen Anforderungen der Seelsorge für die zugewanderten Christen formuliert. Am Samstag befasste sich im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus ein Studientag mit dem Thema.

Schick: Wir waren nicht aufmerksam genug

An der Tagung nahmen rund 40 Fachleute teil, zahlreiche Asylsuchende waren als Gäste und Gesprächspartner dabei. Den Konferenztitel „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ nahm der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick auf, indem er darauf verwies, dass die Geflüchteten „Hilfe an Leib und Seele“ bräuchten. „Wir schulden ihnen die Nähe als Glaubensgeschwister“, so der Vorsitzende der bischöflichen Weltkirche-Kommission. „Wer Flüchtlinge nur als Belastung sieht, sieht sie nicht mit den Augen Gottes.“

Bild: © KNA

Was die Lage der Christen in den Erstaufnahmeeinrichtungen betrifft, räumte der Erzbischof selbstkritisch ein, man sei anfangs „nicht aufmerksam genug“ gewesen. „Inzwischen sind wir es.“ Die Gläubigen würden teils von Muslimen nicht gut behandelt. „Es gibt Ausgrenzung und auch Übergriffe.“ Aber das sei nicht der Regelfall. Er selbst habe im Bamberger Rückführungszentrum viele Menschen getroffen, die christliche Kreuze trugen. „Aber nichts darf zugelassen werden.“

Einen Blick in die Herkunftsländer der Flüchtlinge warf der Vizerektor des Eichstätter Collegium Orientale, Thomas Kremer. Die Gläubigen kämpften oft an der Grenze dessen, „was sie als erträglich empfinden“, so der Geistliche, der als Archimandrit für die melkitische Kirche tätig ist. In Deutschland warten unterdessen 600.000 Asylbewerber darauf, ihren Antrag zu stellen, wie Martin Lauterbach vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sagte. Er wünsche sich eine „realistische Debatte ohne Panik und Verklärung“.

Reinhold Then, Leiter der bibelpastoralen Arbeitsstelle der Diözese Regensburg und privater Flüchtlingshelfer, sprach von einer „Zeit der Gnade“: Mit den orientalischen Gläubigen hätten die hiesigen Katholiken die Chance, als Christen zu wachsen. Sie sollten keine Berührungsängste gegenüber Flüchtlingen haben: „Sie beißen nicht.“

Wunschkatalog zum Umgang mit christlichen Flüchtlingen in den Gemeinden

Einen Wunschkatalog stellte der Studientag auf, der bald an Erzbischof Schick übergeben wird. So sollten die Diözesen die asylsuchenden Gläubigen mit Geld, Räumlichkeiten und spiritueller Zuwendung unterstützen, damit sie ihren Ritus feiern könnten und Schritte zur Integration machten. In jedem Bistum solle es einen Flüchtlingskoordinator und besondere Beauftragte für orientalische Christen geben, leerstehende kirchliche Gebäude könnten für Wohnraum genutzt werden, in den Kathedralen sollten Angebote im byzantinischen Ritus zur Regel werden.

Auch sollen Haupt- und Ehrenamtliche interkulturell geschult werden – nicht nur Schick stellte fest, „dass es viel zu wenig Kenntnisse über christliche Flüchtlinge gibt“. Das ist auch die Erfahrung von Fadi und Wade: „Viele Deutsche kennen die syrischen Christen nicht.“ So gibt es wenig Verständnis dafür, dass sie noch immer Anhänger von Präsident Assad sind. Der 27-jährige Wade nennt ihn „Chef" und sagt: „Er geht mit uns in die Zukunft, die radikalen Muslime wollen uns in die Vergangenheit bringen.“ Wie dem auch sei, die jungen Syrer wollen zeigen: „Wir sind auch da. Und wir brauchen Hilfe.“

Von Bernd Buchner (KNA)

© KNA