
„Die Unschuldigen zahlen einen hohen Preis“
Syrien ‐ Die Kämpfe in der eingekesselten syrischen Stadt Aleppo hören nicht auf. Allein in den letzten Tagen habe es hunderte Tote gegeben - darunter auch viele Kinder. Das berichtet der Apostolische Nuntius in Syrien, Erzbischof Mario Zenari. Die Konfliktparteien griffen dabei zu immer drastischeren Maßnahmen.
Aktualisiert: 10.08.2016
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Der Krieg in Syrien wird nach Darstellung des dortigen Vatikanbotschafters zusehends mit völkerrechtswidrigen Mitteln geführt. In einigen Gebieten würden Hunger und Durst als Waffe eingesetzt, sagte der Nuntius in Damaskus, Erzbischof Mario Zenari, telefonisch dem Sender Radio Vatikan (Montag).
Das syrische Aleppo ist demnach seit Monaten von der Wasserversorgung abgeschnitten. In einigen umkämpften Ortschaften sei auch die Belieferung mit Medikamenten und chirurgischen Instrumenten unterbunden. Derzeit lebten rund 600.000 Menschen unter Belagerung, so Zenari. Fünf Millionen weitere wohnten in Gebieten, die kriegsbedingt schwer zu erreichen seien.
Regierungstruppen hatten vor drei Wochen den Ring um den Osten Aleppos geschlossen. Nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen herrschen katastrophale humanitäre Bedingungen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London wurden in einer Woche auf beiden Seiten mehr als 500 Kämpfer sowie mindestens 130 Zivilpersonen getötet.
Papstbotschafter verweist auf Angriffe mit Chemiewaffen

Zenari verwies zudem auf mehrfache Angriffe mit Chemiewaffen in den vergangenen Jahren. Allerdings habe man für deren Einsatz „noch nicht die Schuldigen ermittelt“. Weiter gerieten „täglich“ Krankenhäuser, Schulen und Märkte, aber auch Flüchtlingslager, Kirchen und Moscheen unter Beschuss. Dabei seien die kriegführenden Parteien verpflichtet, internationale Menschenrechte zu achten und Zivilisten zu schützen, so Zenari. „Die Zivilbevölkerung bezahlt einen hohen Preis, denn diese Menschen sind die unschuldigsten an diesem Konflikt.“
Der Diplomat beklagte vor allem die minderjährigen Opfer. Viele Kinder seien durch Granatsplitter verwundet oder verstümmelt. Andere seien sexueller Gewalt ausgesetzt oder würden zum Kriegsdienst gezwungen. Mehr als zwei Millionen Kinder erhielten keine Schulbildung. In manchen Gebieten unter der Kontrolle des sogenannten Islamischen Staates würden Frauen und Mädchen „wie Vieh auf dem Markt“ gehandelt, so der Nuntius.
Papst verurteilt Gewalt gegen Zivilisten in Aleppo
Zenari verwies zugleich auf den Ruf des Papstes nach einer Friedenslösung für Syrien. Franziskus hatte beim Mittagsgebet am Sonntag auf dem Petersplatz die Kampfhandlungen um die eingekesselte syrische Stadt Aleppo verurteilt.
„Es ist inakzeptabel, dass so viele schutzlose Menschen, auch so viele Kinder, den Preis für den Konflikt zahlen müssen“, so der Papst. Zugleich geißelte er Gleichgültigkeit und einen „mangelnden Friedenswillen der Mächtigen“.
Jesuit: Syrien braucht internationale Friedensbemühungen
Auch der ehemalige Direktor der Jesuiten im Mittleren Osten, Pater Nawras Sammour, hatte die internationale Gemeinschaft am Wochenende zu diplomatischen Friedensbemühungen aufgerufen. Den seit Jahren geführten Bürgerkrieg könne das Land nicht mehr ohne Hilfe von außen lösen, sagte Sammour der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Sonntag in München. Die internationale Gemeinschaft müsse daher den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad „trotz vieler Missstände in dessen Regierung“ als „echten Dialogpartner“ gewinnen. Das schließe auch dessen Bündnispartner, Russlands Präsidenten Wladimir Putin, ein.
Viele Syrer unterstützten die Regierung, erinnerte Sammour. Sie sei noch am ehesten offen für einen Dialog. Der Jesuit ist derzeit Gast des katholischen Missionswerk Missio München. In den Räumlichkeiten des Hilfswerks kamen am Wochenende 30 Flüchtlinge aus Aleppo zusammen, die sich bis zu ihrer Flucht nach Deutschland selbst als Ehrenamtliche in der inzwischen nur noch 1,5 Millionen Einwohner zählenden Stadt im Norden Syriens engagiert hatten. Die Kriegsschäden in Aleppo seien erkennbar höher als in Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg, so der Pater, der in Aleppo aufgewachsen ist. (lek/KNA)
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