Kirchen legen zum 20. Mal ihren Rüstungsexportbericht vor
Rüstungsexporte ‐ Deutschland gehört zu den wichtigsten Waffenexporteuren weltweit - das ist seit Jahren bekannt. Weniger bekannt ist immer noch, wie die Geschäfte zustande kommen. In ihrem neuen Rüstungsexportbericht drängen die beiden großen Kirchen auf Änderungen.
Aktualisiert: 16.12.2022
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Was haben der Krieg im Jemen, die internationalen Missionen in Mali oder der Kampf der kurdischen Peschmerga-Truppen gegen den „Islamischen Staat“ (IS) im Nordirak mit Deutschland zu tun? Eine ganze Menge - und das nicht nur auf geopolitischer oder diplomatischer Ebene.
Im Jemen, Mali oder Nordirak kommen Rüstungsgüter „made in Germany“ zum Einsatz. Im Jemen sind es etwa Kampfflugzeuge vom Typ Tornado und Eurofighter. Für Mali erteilte die Bundesregierung 2015 Genehmigungen für die Ausfuhr von LKW und Minenräumgeräten im Wert von 3,22 Millionen Euro. Und an die kurdischen Peschmerga gingen allein im laufenden Jahr unter anderem 3.000 Sturmgewehre und 200 Lenkflugkörper des Typs Milan.
Kirchen legen Rüstungsexportbericht vor
Nachzulesen ist all das im Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE). Zum 20. Mal stellten die beiden großen Kirchen am Montag ihre Studie vor, die den Stand der Dinge zusammenfasst. Eine echte Fleißarbeit. Denn das Zahlenmaterial ist enorm, die Vergleichbarkeit gering – und vieles bleibt allen Transparenz-Bekenntnissen zum Trotz im Dunkeln. Fest steht, dass Deutschland seit Jahren zu den wichtigsten Exporteuren von Waffen und Rüstungsgütern gehört. Im vergangenen Jahr erteilte die Bundesregierung Genehmigungen für Rüstungsexporte in Höhe von 12,82 Milliarden Euro – das entspricht nahezu einer Verdoppelung im Vergleich zu 2014.
Besonders umstritten sind die Genehmigungen in Drittstaaten außerhalb von EU und NATO. Sie machten 2015 rund 59 Prozent aller Genehmigungen aus. Dazu gehören Saudi-Arabien und Katar, die beide in den Krieg im Jemen verwickelt sind, sowie Mali. Streng genommen eine eigene Kategorie bilden die Peschmerga im Nordirak als „semi-staatliche Akteure“. Während die Kirchen erneut einen Stopp der Geschäfte mit Saudi-Arabien und Katar fordern und vor einem Kontrollverlust warnen, wenn Waffen in die Hände von einzelnen Gruppen wie im Nordirak gelangen, sieht die Sache in Mali noch einmal anders aus. Dort geht es um einen internationalen Einsatz. Und um den Gedanken, das afrikanische Land zu befähigen, seine Probleme künftig weitgehend selbstständig zu lösen.
Dieser „Ertüchtigungsgedanke“ sei nicht per se falsch, urteilt der GKKE-Bericht. So bräuchten etwa UN-Missionen Truppen, „die auch über entsprechende Waffensysteme verfügen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden“. Gleichwohl dürften Waffenlieferungen an Sicherheitskräfte in Krisenstaaten nur dann erfolgen, wenn diese „einer wirksamen gesellschaftlichen Kontrolle unterliegen und wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass sie zur Bewahrung oder Durchsetzung eines gesellschaftlich legitimierten Gewaltmonopols eingesetzt werden“. Bauchschmerzen haben die Experten auch bei der angestrebten „Europäisierung“ der Rüstungsexportpolitik. Die deutschen Ausfuhr-Standards dürften nicht verwässert werden.
Kirchen fordern eigenes Gesetz zu Rüstungsexporten
Ein zentrales Anliegen des neuen Rüstungsexportberichts der Kirchen ist der Ruf nach einem eigenen Gesetz für deutsche Waffenausfuhren. Es gelte, die verschiedenen bestehenden Regelungen zusammenzuführen, die Transparenz bei Waffengeschäften zu erhöhen und die Kontrollbefugnisse des Bundestags zu verstärken. Ein solches Rüstungsexportkontrollgesetz hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zu Jahresbeginn angekündigt. Aber in dieser Legislaturperiode wird daraus wohl nichts. Gabriel trifft auf großen Widerstand im eigenen Haus, wie es heißt.
Selbst wenn deutsche Unternehmen und deren Ausfuhren eines fernen Tages schärfer kontrolliert werden: Für die Experten der GKKE bleibt vermutlich auch in den kommenden Jahren genug zu tun. Die internationalen Verflechtungen nehmen zu. So soll Saudi-Arabien in mindestens einem Fall eine Fliegerbombe von RWM Italia über dem Jemen abgeworfen haben. Zwischen 2013 bis 2015 lieferte das im norditalienischen Ghedi ansässige Unternehmen tausende Bomben in die Golfregion. Laut Eigendarstellung verfügt RWM Italia „über eine herausragende Gesamtkompetenz im Bereich Explosivstoffe und Munition“ – und ist ein Tochterunternehmen des deutschen Rheinmetall-Konzerns.
Von Joachim Heinz (KNA)
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